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– Siehst Du die Schecke! sprach in hohem Tone der Prinz. Es ist mein Schlachtroß von Rocroy!

L’Hôpital sah auf die herannahenden Feinde, auf einen Infanterietrupp, welcher neben der Redoute hervorbrach, zog sein Pistol und schoß seinen Ajax nieder.

– Hurrah! schrien die Deutschen, welche bei dem Pulverblitz ihre Feinde erkannten. Franzosen! Franzosen!

Sie feuerten auf’s Gerathewohl – und laut heulten und schrien die Fußsoldaten, welche aus der Redoute vorgedrungen und jetzt von den Kugeln der eigenen Brüder getroffen waren. Die Mannschaft aus der Schanze wich zurück, die Verfolger machten bei dem Geschrei in deutscher Sprache bestürzt Halt, und während dieser kurzen Secunden durchbrachen die beiden Franzosen die Ranken der Reben und rannten die Weinstöcke in dem Weinberge nieder, um mit aller Macht das Weite zu suchen.

Ungeachtet die Baiern es nicht an der eifrigsten Verfolgung ermangeln ließen, so ward es ihnen dennoch unmöglich die beiden entschlossenen und listigen Flüchtlinge einzuholen und aufzufinden. Gleich verfolgten Mardern benutzten sie jeden Terrainvortheil, ließen kaltblütig die feindlichen Fußknechte dicht neben sich vorbeistöbern, wandten sich links und rechts, und setzten mit jeder Minute mehr Raum zwischen sich und ihre Feinde.

Nach einer mühseligen Wanderung von zwei vollen Stunden herrschte rings um sie tiefe Stille. Jetzt erst versuchten sie sich, der Feinde ledig, denen auszuweichen bisher ihre Hauptaufgabe gewesen war, zu orientiren. Sie befanden sich in einer größeren Nähe von Freiburg, als zuvor. Die Vertheidigungswerke im freien Felde lagen noch weit, weit von ihnen. Condé, welcher bis zu diesem Augenblicke, voll Vertrauens auf seinen günstigen Stern, scherzen konnte, ward mäuschenstill und seufzte nur noch aus gepreßter Brust; l’Hôpital, der unerschrockenste Krieger, den es geben konnte, fluchte verzweifelnd, und fing dann an, mit völligster Niedergeschlagenheit die Folgen darzulegen, welche die unzweifelhafte Gefangennahme ihres Feldherrn für die französische Armee herbeiführen würde. Er entwickelte hierbei eine solche Scharfsichtigkeit, eine die trostloseste Zukunft malende, orakelartige Allwissenheit, daß Condé, außer sich gebracht, mit den Zähnen knirschte, mit den Füßen den Boden zerstampfte und endlich beide Zeigefinger tief in seine Ohren bohrte. Einige höchst vorsichtig unternommene Versuche, sich der militairischen Außenlinie zu nähern, zeigte erst vollkommen, wie sicher der Prinz und sein Begleiter in der Falle saßen. Und immer näher rückte der Morgen, wo die Baiern oder, was ziemlich dasselbe war, die Freiburger Winzer die beiden Franzosen einfangen sollten, wie man etwa einen auf dem Sande liegenden Cachelot fängt, der sich, während die Ebbe eintrat, in der Nacht zwischen den Klippen der Küste verirrte. Jede Minute zog l’Hôpital seine Uhr, um mit zitternden Fingern zu fühlen, denn sehen konnte er’s nicht, um wie viele Augenblicke der Tagesanbruch näher gerückt sei.

Seit etwa fünfzehn Minuten hatten die beiden, wenige Stunden vorher noch so stolzen, siegessichern Helden in erbärmlichster Gemüthsverfassung zwischen jungen Weinstöcken auf der feuchten Erde gesessen. Es war kein Wort mehr geredet.

Endlich erhob sich Condé und schnallte seinen Degen fest um die Hüften.

– Steh’ auf, mein Freund! sagte er mit einer Stimme, die eben so eigenthümlich vibrirte,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 663. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/680&oldid=- (Version vom 1.8.2018)