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hätte. Die Ursache dieser Unthätigkeit war eine ziemlich eigenthümliche. An dem Abende, als Condé seine Falle stellte, drang er mit seinem Lieblinge, dem im folgenden Jahre schon bei Allerheim im siegreichen Vordringen erschossenen Major, Xavier de l’Hôpital, bis weit über die Vedetten der Reiterei hinaus nach Freiburg hinzu. Die Baiern waren schon wieder zurückgeworfen; der weite Plan war augenscheinlich von keinem Feinde durchschwärmt, und der Abend war zu lockend, als daß der Prinz nicht hätte versucht werden sollen, eine Recognoscirung bis unter die Kanonen Freiburgs vorzunehmen. Er ritt unbekümmert unter dem feinen und witzigen Gespräche, welches ihm eigen war, mit seinem Adjutanten im großen Galopp auf der Freiburger Straße, und dann, als hier Verhaue und Aufwürfe sich zeigten, neben derselben bis vor die äußerste sogenannte Pfeilschanze der Baiern. Ein halbes Dutzend Schüsse fielen und harmlos pfiffen die Kugeln durch die Nachtluft weiter, ohne von den Reitern beachtet zu werden. Bei einer Wendung des Weges ward übrigens die Scene ernsthafter. Condé, welcher nicht zu wohl in die Ferne sah, behauptete hartnäckig, ein großer, breiter Gegenstand, der ihnen in einiger Entfernung quer vor dem Wege sich zeigte, sei ein in der Tiefe liegendes, großes Wohngebäude, während l’Hôpital versicherte, dieser Gegenstand sei in aller Form Rechtens eine feindliche Redoute. Als Condé mit Entschiedenheit seine Meinung wiederholte, schwieg der sorglose l’Hôpital und ritt nur um einige Schritte voraus, um den Prinzen durch seinen Körper zu decken, wenn sich dennoch das imposante Gebäude in eine imposante Schanze verwandeln sollte. In diesem Augenblicke hörten die beiden vornehmen Abenteurer hinter sich das dröhnende, unregelmäßige Stampfen eines im vollen Trabe herankommenden Infanterietrupps.

Ventre-saint-gris! murmelte der Prinz, gleich seinem Ahn und glänzenden Vorbilde Heinrich IV. Ich glaube, diese deutschen Elephanten haben den Einfall, mit uns eine Parforce-Jagd anzustellen. Laß ausstreichen, l’Hôpital; ich denke, wir werden, wenden wir uns bei jenem Hause links, wieder mit leichter Mühe das Blachfeld gewinnen.

Das wäre möglich gewesen, wenn jenes „Haus“ nicht eine mächtige Redoute gewesen wäre, die den Weg versperrte.

– Wer da? hallte es dicht vor den Reitern, die betroffen die Zügel straff anzogen; und: Wer da? lief der Ruf durch die Kette von Schildwachen neben der Schanze hin.

– Abgesessen! flüsterte Condé und stand neben seiner stolzen Schecke, indeß er sein Pistol aus der einen Halfter zog und aus der andern einige Briefe und Zettel nahm, die ihm im Reiterlager eingehändigt waren.

– Aber mein Ajax! sagte l’Hôpital mit lauter, grimmiger Stimme und zögernd absteigend, als die Schildwache auf der Brustwehr einen donnernden Musketenschuß auf die in der Dunkelheit unsichtbaren Reiter abfeuerte. Was soll mit meinem Pferde werden?

– Etwas Aehnliches, als das, was mit meinem Thiere wird! sagte Condé, sprang von der Straße fort und bemühte sich, über eine sechs Fuß hohe Mauer zu gelangen, welche einen Weinberg einschloß.

– Bei Gottes Blut, mein Prinz! Ich kann nicht fort! sagte l’Hôpital und wollte sich wieder aufsetzen. Ich will sterben, bevor ein Baier sich auf diesen meinen Kampfgenossen in sechsundzwanzig Gefechten schwingt.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 662. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/679&oldid=- (Version vom 1.8.2018)