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Fluthen netzend, deren kühlender Hauch dem Sitz auf der Terrasse einen neuen Genuß hinzufügte. Berceau’s von Rosen winkten allenthalben; sie hingen bis auf die Terrasse ihre duftenden Blüthen herab.

Gherardi, der stets Bewegliche, fing sofort, mit dem Antlitz gegen die Terrasse gekehrt: Galatea im Olymp! zu spielen an, nachdem Signor Montucci ganz einfach den Gang des unter den Augen der Zuschauer erstehenden Schäferspieles angegeben und die Rollen vertheilt hatte. Und wirklich fiel die Improvisation der gewandten Acteurs lieblich genug aus, um die Gesellschaft in die heiterste Stimmung zu versetzen. Die Schauspieler machten eine Pause und lagerten sich unter den Bäumen. Der Signor Dichter trat mit seiner Guitarre, womit er den Gesang der eingelegten Couplets begleitet hatte, auf die Terrasse und ließ sich in seinem Negligée neben Louison de Noailles nieder, sein Instrument zu einer Barcarole stimmend. Die kleine Herzogin von Maine saß auf der Fußstufe der Terrasse und blätterte neugierig in einem Rollenhefte der Schauspieler, während sie mit dem Herzoge so verliebt plauderte, als hätte ihr nie Signor Gherardi, und ihm nie Signora Colombina gefallen. Josita in ihrer schwarzen Capa saß neben La Feuillade und ihr Blick zeigte, daß sie im Herzen nicht wenig von dem Glücke empfand, welches das jugendliche Gesicht ihres Bräutigams verklärte. Nur St. Simon war der einzige Misanthrop. Mit einer höchst ennuyirten Miene stand er ganz am Ende der Terrasse, den satyrischen Blick auf den Körpertheil der steinernen Mademoiselle Seine richtend, wovon die Venus Kallipygos den Namen führt. Er hörte nicht auf den Gesang des Signor Montucci, auf das Geplauder der Zofen, welche Blumen von den Büschen pflückten, auf das Geplärr einer kleinen vierjährigen Schauspielerin, welche eben unvergleichlich eine Elfin dargestellt hatte. Er hatte nur ein Ohr für das Liebesgeflüster seines Nebenbuhlers und der Spanierin, die er dennoch nicht aufzugeben beschlossen hatte, obgleich sie ihn, durch die Kunstgriffe der Herzogin von Maine, wie er glaubte, bewogen, offenbar verschmähte. Er wartete mit einer solchen Sehnsucht auf Le Tellier und seine Mousquetaires, daß sein Herz stärker klopfte und seine sonst so sehr farblosen Wangen sich stark rötheten.

Ein Trompetenstoß kündigte endlich die Ankunft der Verfolger an. Man kann die Verwirrung der Gesellschaft und die hämische Freude St. Simons kaum beschreiben, als Tellier mit seinem blatternarbigen Gesichte, St. Simons „Semiramis“ reitend, an der Spitze von fünfzehn Mousquetaires geradezu in den offenen Park sprengte und bis zwischen die Bäume kam. St. Simon war zwar sehr betroffen, als er seinen Zeugen, das Pferd erblickte, war aber unverschämt genug, ruhig zu scheinen.

– Ist das Ihr Pferd, Rouvroy? schrie der Herzog von Maine. Der Teufel hole Sie, verstehen Sie mich . . . Ich werde Sie augenblicklich in den Fluß werfen, damit Sie wenigstens nicht den Erfolg Ihrer abscheulichen Verrätherei erleben . . .

Tellier ritt bis dicht an die Terrasse und begann, nachdem er die Gesellschaft höflichst begrüßt hatte, mit lauter Stimme zu verkündigen, daß er Befehl habe, die Dame Josita Minas mit Güte oder mit Gewalt zu verhaften und nach dem Gefängnisse in Grand-Commun – leichtes Gefängniß im Palaste der Hofadeligen in Versailles – abzuführen.

Jetzt erfolgte eine sehr lebhafte Scene. Der Herzog, die Herzogin, die Gräfin boten dem Offizier große Geschenke und immerwährende Freundschaft, wenn er seinen Befehl nicht

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/662&oldid=- (Version vom 1.8.2018)