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lächelnden Louison im zweiten Wagen Platz zu nehmen. Nach einer ziemlich uninteressanten Fahrt erreichte man die Seine.

In einer Bucht derselben lag die Amphitrite des Herzogs, ein Fahrzeug, welches große Aehnlichkeit mit einer chinesischen Yonque hatte, aber so klein war, daß Louison, welche das Wunderwerk zum ersten Male erblickte, ihre großen Besorgnisse äußerte, wie die zehn Schauspieler sammt dem Abbate Montucci, die vier Bootsleute und die ankommenden sechs Personen mit zwei Kammermädchen und zwei Bedienten Platz in dieser Nußschale finden sollten. Der Herzog ärgerte sich hierüber und bemerkte:

– Es ist so viel Platz vorhanden, Madonna, daß Sie keineswegs „hoffen“ dürfen, mit dem Signor Poëta vielleicht eine Matratze zur Nacht theilen zu müssen.

Hierauf nannte die Gräfin den Herzog ein Ungeheuer, wodurch dieser so entzückt wurde, daß er sich auf eigene Hand ausgelassen lustig bezeigte, und nun eine Masse von Geschichten erzählte, wie sie die Lieblingsunterhaltung der Pagen und der jüngsten Gardeoffiziere bildeten. Die genialsten, lächerlichsten, ausschweifendsten, gefährlichsten und verführerischesten Liebesgeschichten wurden aus Rache für das Schimpfwort der unverbrüchlich schweigenden Dame mit einer bei dem Herzoge ungewöhnlichen Zungenfertigkeit vorgetragen, so daß selbst St. Simon, bekanntlich der Meister nicht allein im Erzählen, sondern auch im Erfinden solcher Geschichten, ganz verwundert verstummte. Der Herzog war so boshaft, der Gräfin zu bemerken: sie schweige nur deshalb so trappistenartig, damit sie besser zuhören könne und nicht das Unglück habe, daß ihr irgend ein besonders anziehender Umstand entschlüpfe.

Ein rascher, italienischer, von kunstfertigen Kehlen ausgeführter Gesang unterbrach den Unermüdlichen. Die Gesellschaft stieg aus; rechts und links breiteten sich von Gehölz umgebene Wiesenmatten aus, zwischen denen die stolze Seine ihre breiten, raschen Wellen dahintrieb.

– O, meine Amphitrite! schrie der Herzog, plötzlich seiner Natur gemäß wieder Seemann werdend, als er das kleine flaggende Fahrzeug bemerkte, auf dessen Verdeck Signor Gherardi als Pantaleon und Signor Montucci als Arlequino gekleidet durch einen schwülstigen Dialog die Reisenden empfingen, indeß sie von Meergöttern und Nixen und andern Wassergeschöpfen tanzend umschlungen wurden. Jetzt schon war das Schiff ganz voll von Menschen.

Unerschrocken aber schiffte sich der Herzog ein, nachdem er vorher seine Frau, sowie die tiefsinnige Josita gezwungen hatte, ein ganzes Glas voll des gelben Seinewassers als Präservativ gegen die Seekrankheit zu trinken.

Die Herzogin von Maine hatte unterwegs schon im Vereine mit ihrem schönen Günstlinge, dem Marquis La Feuillade, Alles angewandt, um Josita zu bewegen, daß sie sich von Letzterem nach seinem väterlichen Schlosse führen lassen möchte. Die Spanierin liebte diesen jungen Edelmann ohne Zweifel; sie hatte dies nie heftiger gefühlt, als eben jetzt, da sie sich von ihm und von Frankreich für immer zu trennen im Begriff stand. Sie gestand ihm unter einer Thränenfluth ihre Liebe und erklärte endlich, daß sie ihm folgen werde, wenn er ihr verspreche, sie gleich nach seiner Ankunft bei seinen Aeltern zu heirathen. Die Herzogin erbot sich, die Liebenden zu begleiten, um den etwaigen Widerstand der Aeltern des Liebhabers zu beseitigen, und ertheilte den vor ihr in der Kutsche Knieenden in höchst bewegter Stimmung ihren Segen als

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 643. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/660&oldid=- (Version vom 1.8.2018)