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Es ward beschlossen, daß Feuillade sich vom Capitain Donaldson ebenfalls Urlaub erwirken und mit nach Chateau Noailles reisen sollte. Das Entzücken des armen Georges kann kaum beschrieben werden. Er küßte den Damen mit Ungestüm die Hände, umarmte den Herzog aus aller Macht, und würde auch die Damen in der Freude seines Herzens umarmt haben, wenn diese nicht geflohen wären und ihn durch ihr Lachen einigermaßen zur Besinnung zurückgeführt hätten. Zugleich versprach er dafür zu sorgen, daß die Schildwache im Augenblicke der Flucht der Spanierin, welche auf den folgenden Morgen festgesetzt wurde, ein gefälliger Mensch sei, auf dessen Treue man rechnen könne.

Früh am andern Morgen, nachdem sämmtliche Betheiligten der Intrigue in angenehmer Unruhe und Sorge die Nacht zugebracht hatten, war Alles bereit. Der Herzog hatte gearbeitet wie ein Bootsknecht, um sein Schiff zu verproviantiren, auf welchem sich die italienischen Schauspieler, zehn Personen, Herren und Damen, und der Signor Poëta, ein Abbé Montucci, berühmt wegen seiner herrlichen Tenorstimme, schon befanden. Jetzt meldete der schwarze Lockenkopf schweißtriefend:

– Die „Amphitrite“ ist segelfertig!

La Feuillade befand sich im Zimmer des Herzogs, wie die Herzogin und Louison de Noailles. Der Graf de Noailles war viel zu sehr besorgt, sich am Hofe in eine falsche Stellung zu bringen, als daß er sich hätte bewegen lassen, sich dem eleganten Occupationsheere anzuschließen. St. Simon erschien ebenfalls und nahm sofort das unausstehlichste Wesen von der Welt an, als er den Marquis La Feuillade bemerkte.

– Schweigen Sie, George! lispelte ihm die in ihrem Reisenegligée unvergleichlich reizende Louison de Noailles in heiterster Laune zu. Sie haben an dem Lügenpropheten Jemand, der nur zu sehr geneigt scheint, Ihre Pläne zu durchkreuzen.

Feuillade war in der damals so beliebten Tracht eines Abbé. Er sah in seinem glänzenden, schwarzen Tuchwamms, mit seinen Spitzenmanschetten und der aufgesteiften, gefältelten Halskrause, mit seinem schwarzen Seidenmantel und Baret wo möglich noch frischer und liebenswürdiger aus, als in Uniform. Die entscheidende Minute kam. Der Herzog fragte nach den Weinflaschen, die Herzogin nach ihren Büchern, Feuillade nach der Spanierin, St. Simon schwieg hartnäckig und Louison erkundigte sich mit dringendem Tone, ob der Italiener Montucci wirklich an Bord der „Amphitrite“ sei, worauf der Herzog lachend erwiderte, daß er dem Grafen de Noailles darüber eine beglaubigte Bescheinigung ausstellen werde.

Die Herzogin von Maine ging auf den Corridor. Der Soldat blickte aus dem großen Bogenfenster am Ende desselben und, die Ohren durch Dukaten verstopft, hörte es nicht, daß die Dame die Thüren Josita’s eilfertig aufschloß, um die blässer gewordene Gefangene, welche sich tief in ihre Capa gehüllt und den malerischen Rebozzo um den Kopf geschlungen hatte, zu befreien. Die Herzogin zog ihren Mantel über den Kopf, die Gräfin de Noailles nicht weniger, und sofort eilten sie die Treppen hinab zu zwei Kutschen, welche genau nach dem Muster der Arche des alten Noah erbaut schienen.

Die Herzogin stieg mit der vor Freuden Thränen vergießenden Josita in den ersten Wagen; der Marquis La Feuillade folgte ihr augenblicklich, so daß St. Simon so unglücklich war, neben dem heute ungeachtet der frühen Stunde unaufhörlich Witze reißenden Herzog und der wenig

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Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/659&oldid=- (Version vom 1.8.2018)