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– Ich werde einen Vorschlag machen! rief er. Wir werden George de la Feuillade rufen lassen; nicht wahr, theurer St. Simon? Er ist ohnehin der Liebling unserer Damen hier.

– Wie es scheint, auch derjenige der Donna Josita! bemerkte St. Simon, der sich eben so sehr über den kleinen Lieutenant ärgerte, wie sich der Herzog von Maine über den schönen Schotten geärgert hatte.

– Desto besser, mein Lieber, desto besser! rief Maine, eifrig die Hände reibend. Feuillade wird uns eine Schildwache ermitteln, wie wir sie gebrauchen, und dann – fort mit ihr.

– Ich erbiete mich, die Dame mit einigen zuverlässigen Cavalieren zu escortiren, und wir werden eher mit dem Degen in der Faust sterben, als unsere Prinzessin uns rauben lassen.

St. Simon richtete seine schlanke Gestalt höher auf, indeß sein Auge gleich demjenigen eines Zwanzigjährigen blitzte.

– Sehr gut! schrie der Herzog; aber es kommt hauptsächlich darauf an, daß wir Alle hier uns an der eigentlichen Entführung betheiligen, um Revanche an dem Könige und an seinen Satelliten zu nehmen; glänzend, heißt das. Ich biete mein Schloß zu Pau als das vorläufige Ziel der Reise an . . .

– Entschuldigen Sie, gnädiger Herr, aber Schloß Rouvroy dürfte sich noch mehr als Pau dazu eignen, die junge Dame sicher zu verbergen . . .

Dies bemerkte Simon mit einer Verlegenheit, die ihm nichts weniger als gewöhnlich war. Alle sahen den Herzog an und wechselten dann einen einzigen, vielsagenden Blick. Dieser war aber so wirksam, daß alle Drei dem Lügenpropheten gegenüber auf’s Herzlichste und Munterste zu lachen anstimmten.

Parbleu, mein Freund! Es würde sich da nahezu für die arme Josita um eine neue Gefangenschaft handeln! sagte die Herzogin.

St. Simon ward offenbar übler Laune. Man kehrte sich jedoch nicht daran. Louison de Noailles setzte es durch, daß ein in einer einsamen Gegend an der Seine, einige Meilen aufwärts von Pont de l’Arche liegendes Landgut als die erste Station der Flucht der Spanierin angenommen wurde. Man wollte die Seine hinabfahren, worüber Niemand mehr als der Herzog von Maine entzückt war, der sich etwas darauf einbildete, vom Seewesen Kenntnisse zu haben, und der mit großen Kosten nach einer freilich sehr unpraktischen, von ihm selbst erfundenen Construction ein ziemlich großes Schiff hatte erbauen lassen, auf welchem er zuweilen diejenigen seiner Freunde bewirthete, die es über sich gewinnen konnten, den Wein des Herzogs mit seinen endlosen nautischen Vorträgen hinabzuspülen. Die Abfahrt sollte so glänzend als möglich sein: mit Musik und Gesang, und als deshalb die Noailles bemerkte, ob man nicht den Italiener Gherardi vom Theater an der Porte Saint Martin mit seiner Gesellschaft zu miethen gedenke, um sich im Parke des Schlosses Schäferspiele und Lustspiele geben zu lassen, da stimmte das herzogliche Paar entzückt bei. Der Herzog nahm in einem Schreiben an den König sofort Urlaub, St. Simon und die Gräfin nicht minder. Als dies Geschäft beendigt war, entfernte sich St. Simon seufzend, um, wie er sagte, einige nothwendige Angelegenheiten vor seiner Abreise zu erledigen.

St. Simon ging direct zu Le Tellier, einem zwar jungen, aber sehr häßlichen Lieutenant

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 636. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/653&oldid=- (Version vom 1.8.2018)