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Nutzen zu ziehen. Bewege also Josita, daß sie, wenn sie abermals an ihren Vater schreibt, von Uns ein so einnehmendes Bild als möglich entwirft, ihren Entschluß kund giebt, wo möglich immer in Versailles zu bleiben und dem stolzen Spanier Hoffnung macht, daß für ihn, wenn er der Krone Frankreichs huldige, bereits eine Gouverneurstelle in der Gascogne oder in Guyenne und der Marschalls- oder Admiralstitel in Bereitschaft gehalten würde . . .

Aber Louise de Noailles wollte nichts Derartiges hören. Der Refrain ihrer Reden war, daß die Spanierin sobald als möglich ihrem „sterbenden, seufzenden Vater“ wiedergegeben werden müsse. Nach vielen andern minder wichtigen Ausflüchten bequemte sich die Maintenon, nachzugeben.

– Nun gut, sie mag also reisen! sagte sie endlich. Ich zweifle aber, ob dieser Act französischer Großmuth im Stande ist, den General, ihren Vater, für uns zu gewinnen . . .

– Der Herzog von Berwick wird auch ohne ihn Spanien zu erobern wissen.

– Oh, oh! Du weißt also nicht, welchen entschlossenen Widerstand Murcia und Catalonien ihm entgegenstellt . . . . . . Ich versichere Dich, es bleibt uns noch ungeheuer viel zu thun übrig, bis die Krone fest auf Philipp’s Haupte sitzt. Aber immerhin. Mag die Spanierin reisen . . . das heißt, wenn Seine Majestät der König es genehmigt . . .

– Ah, Madame, Sie werden ihn bitten und er wird nicht widerstehen . . .

– Sehr wohl, ich will Euch unterstützen, aber Eure Bitte müßt Ihr selbst anbringen. Es wäre gut, wenn der König Josita selbst sähe . . .

– Mein Gott, sie ist ja fast jeden Abend im kleinen Zirkel gewesen und der König hat sie mehr als ein Mal angeredet! rief die Gräfin.

– Hat er sie angeredet, so mußte die Spanierin so antworten, daß sie bemerkt wurde. Als ich gestern jedoch von ihr sprach, äußerte der König, er erinnere sich der Fremden nicht, als einer stummen, vom Kopfe bis zu den Füßen in einen schwarzen Trauermantel gehüllten Gestalt.

– Ich werde schon dafür sorgen, daß Josita heute Abend bei der Lotterie des Königs von ihm genauer betrachtet werden soll! sprach Louise sehr lebhaft.

– Aber habt Ihr denn für heute Abend Karten? Außer den Gesandten sind nur Personen von Geblüt eingeladen, meine ich . . .

Die Gräfin machte ein ziemlich unschönes Gesicht und zuckte die Achsel.

– Außerdem ist der König Abends immer sehr zerstreut, Nichte! Benutze lieber das zweite Lever, um Josita Minas und ihre Bitte zu empfehlen. Ich werde Seine Majestät heute Abend aufmerksam machen, daß Du etwas bei ihm nachzusuchen hast . . .

Wir haben bemerkt, daß Louise de Noailles und die Herzogin von Maine zum Lever gingen. Sie führten Beide mit großer Prätension ihren Schützling, die in schwarze Seide gekleidete Spanierin. Donna Josita’s Schönheit strahlte aus der düstern Capa wie ein Stern aus den Wolken der Nacht.

Desdichada de mi! Ich Unglückliche! seufzte Josita, sich schwach auf den Arm der Gräfin stützend, welche ihr Muth einsprach, während die Dame de Maine Jedem, der es hören wollte, mit lauter Stimme insinuirte, diese Spanierin sei ein Schlachtopfer und zwar ein Schlachtopfer der unverzeihlichsten königlichen Tirannei.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 617. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/634&oldid=- (Version vom 1.8.2018)