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Josita auswechseln. Madame de Maintenon konnte unmöglich widerstehen; aber sie bemerkte sehr ängstlich, daß der Herzog von Berwick hinsichtlich der kleinen Spanierin ausdrücklich an den König geschrieben habe, daß man durch sie die bedeutendsten Resultate in Bezug auf die gegen Philipp von Anjou noch in Waffen stehenden Spanier erzielen könne.

– Die Verbindung mit dem General Minas ist angeknüpft, schloß die Maintenon, sie muß bis zum Ende geführt werden . . .

– Aber, gnädige Tante, hatte Louise mit großer Lebhaftigkeit erwidert, es wird doch Niemand so ganz und gar barbarisch sein, zu beabsichtigen, diesen spanischen General dadurch für Frankreich gewinnen zu wollen, daß man seine einzige Tochter zum Preise seines Uebertrittes macht?

– Wer redet denn davon? Nein, der König besitzt in Donna Josita blos einen gewissen Punkt . . . .

– Josita wäre ein Punkt? Wenn Sie so von der Armen zu reden im Stande sind, so ist sie sicher verloren!

Die Maintenon, keineswegs eine Freundin von empfindsamen Scenen, die sie nicht selbst angestiftet hatte, erhob sich im höchsten Grade erzürnt über die Komödie ihrer Nichte, die sich niederwarf, als wenn sie nie mehr aufstehen wollte, weinte, und in dieser angreifenden Situation ihre Tante „bei den Göttern“ beschwor, die kleine Spanierin ihrem Vater zurückzusenden.

Madame de Maintenon beugte sich jetzt zu Louise hinab, beide Hände wie eine ächte „Dame der Hallen“ auf die Hüften stemmend.

– Ich wünschte, sagte sie, vor Aerger bebend, daß Sie mit Noailles diese unausstehliche Posse aufführten und nicht mit mir; Sie würden dann wenigstens die sichere Hoffnung haben, für Ihre Anstrengung die angemessene Belohnung, das heißt eine derbe Ohrfeige zu empfangen.

In einem Augenblicke stand Louise aufrecht da.

– Noailles? rief sie. Er mir Ohrfeigen appliciren?

– Meinetwegen, sagte die Maintenon, sehr kaltblütig sich niedersetzend. Das wird ganz Eure Sache sein, wie Ihr Euch unterhalten wollt. Ich sehe übrigens, daß Du nach dem kalten Bade soeben nüchtern und vernünftig genug geworden bist, um mit mir ferner von Deinem Schützlinge, der Josita, reden zu können.

Die Gräfin schmollte noch einen Augenblick, nahm aber ein Tabouret, setzte sich und nahm sich ernsthaft vor, ihre Tante gewähren zu lassen.

– Es ist nothwendig, sagte die alte Dame, daß wir Las Minas gewinnen, denn sein Einfluß auf seine Landsleute, namentlich auf die Truppen, welche noch gegen „Uns“ im Felde stehen, ist von größter Bedeutung. Der Vater Deiner Josita ist schon seit langer Zeit in Frankreichs Interesse zu bearbeiten versucht; unerschütterlich hat er alle ihm gebotenen Vortheile ausgeschlagen. So lange aber seine Tochter hier ist, hat er sich uns auffallend genähert und es ist unzweifelhaft, daß er sich nach einiger Zeit für den Prinzen von Anjou erklären wird. Um aber des Erfolges unserer Schritte gewiß zu sein, müssen wir zuverlässig den General bewegen können, die Unterhandlungen fortzusetzen. Die Anwesenheit Josita’s in Versailles ist die Bürgschaft dafür, daß er nicht mit uns abbricht. Uebrigens werden wir ihm Vortheile genug zu bieten haben, sollte ich glauben, um von dem Umstande, daß wir seine Tochter gefangenhalten, gegen ihn

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 616. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/633&oldid=- (Version vom 1.8.2018)