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anzubieten. Berwick siegte für Philipp von Anjou, Galway und Minas wurden schwer blessirt und ließen 5000 Todte und wenigstens doppelt so viele Gefangene auf Almanza’s Wahlplatze.

Unter den Gefangenen waren hundertachtzehn Offiziere, entweder, und das war durchschnittlich der Fall, von hohem militärischem Range, oder aus einer der höchsten Familien Spaniens. Diese vornehmen Herren wurden, während Berwick Arragonien unterwarf, nach Frankreich geführt. Einige dieser spanischen Offiziere, deren Familien in ihrer Heimath einen bedeutenden Einfluß ausübten, brachte man nach Paris und Versailles, nahm ihnen das Ehrenwort ab, daß sie keine Flucht versuchen wollten, und zog sie dann an den Hof und in den Kreis der ungeachtet des Alters der Königin und der Bigotterie der Maintenon noch immer höchst brillanten Vergnügungen desselben, indeß man sie mit Zuvorkommenheiten überhäufte, um sie den französischen Prinzen in Spanien geneigt zu machen. Es ist gewiß, daß nur bei wenigen dieser so liebenswürdig gefangengehaltenen Männern der beabsichtigte Zweck des Hofes nicht erreicht wurde.

Nicht allein Officiere, auch eine Dame war den Siegern bei Almanza in die Hände gefallen. Es war die Tochter des eben so umsichtig tapfern als höchst einflußreichen Generals Las Minas y Huesco. Auch der Donna Josita hatte man sich versichern zu müssen geglaubt und sie war mit den Gefangenen nach Versailles geführt. Wie die Officiere hatte die junge Spanierin ihr Wort gegeben, nicht zu fliehen, und sofort war sie von den vornehmsten Damen des Hofes feierlich als Schützling erklärt und mit solcher liebevollen Aufmerksamkeit behandelt, daß Donna Josita gewiß keine Ursache hatte, ihre unfreiwillige Reise nach Frankreich zu bereuen.

Wer sich aber der Spanierin vollständig bemächtigt und alle andern Protectricen derselben verdrängt hatte, das war die Herzogin von Maine und die Gräfin de Noailles. Donna Josita war, des Glanzes, der sie umgab, ungeachtet, nicht glücklich. Sie hätte sich lieber unter dem Zelte ihres Vaters im Getümmel des Feldlagers zur Ruhe gelegt, als hier im Versailler Schlosse in ihrem prächtigen Zimmer mit Malereien von Philipp von Champagne an den Wänden und mit ungeheuren Spiegeln und venetianischen Fensterteppichen geziert. Der General Minas bedurfte ihrer Pflege und sie war fern von ihm gefangen. Ihr einziger Trost war, daß sie in der Sprache ihrer Heimath sich mit ihren Beschützerinnen unterhalten und ihre Klagen aussprechen konnte; denn die Herzogin von Maine schnatterte die Lengua castellana gleich einer beredten Duenna von Manzanares, und wenn Louise de Noailles auch die außerordentliche Zungenfertigkeit der kleinen Herzogin nicht besaß, so hatte sie dagegen die Eigenschaft, mit ausgezeichnetem Wohlklange aus dem Gedächtniß eine Menge der schönsten spanischen Gedichte vortragen zu können.

In der ersten Zeit, nachdem die Spanierin in Versailles angekommen war, hatten die beiden Damen dieselbe aus wahrem Egoismus zurückzuhalten gestrebt, denn sie liebten das eigenthümlich bezaubernde Mädchen aus Valencia viel zu sehr, um sich sobald wieder von ihr zu trennen. Kaum aber hatte ihnen Josita ihr Herz, ihre heftige Sehnsucht nach der Heimath und den Schmerz um das Geschick ihres verwundeten Vaters gezeigt, da beeiferten sich die Französinnen um die Wette, es möglich zu machen, daß Josita’s Wunsch erfüllt werde.

Es war nach einer vorübergegangenen, stürmischen Scene zwischen Madame de Maintenon und ihrer Nichte die erste Bitte der letzteren gewesen, man möge, wie der General Minas in einem eigenhändigen Schreiben an den König vorgeschlagen, einen besonders von Ludwig XIV. begünstigten jungen Marquis d’Uxelles, der sich in der Gewalt der Engländer befand, gegen

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Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 611. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/628&oldid=- (Version vom 1.8.2018)