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welche es höchst problematisch ließ, ob aus den mürben, sonst so glänzenden Resten mehr als ein einziges Kleid sich für Diana herstellen lasse.

Einmal durch ein einziges Urtheil der Welt aus ihrer Ruhe gerissen, konnte sich das Edelfräulein nicht mehr von dem neuen Gedankengange, welcher sich ihrer Einbildung bemächtigt hatte, losmachen. Sie wollte gekleidet sein, wie es ihrem Range gebührte, und Niemand sollte auf den Einfall kommen können, ihr die Aermlichkeit ihres Anzugs zum Vorwurfe zu machen.

Nach längeren Debatten mit Genéviève, wobei auch Pierre als stimmfähiges Mitglied zugezogen werden mußte, stellte sich ein Mittel heraus, um ohne fühlbaren Schaden zu Gelde zu gelangen. Der Nachbar der Boprès war ein Herr von Albala, ursprünglich ein Spanier, welcher sich hier angekauft hatte. Der alte Herr de Boprès hatte mit diesem Edelmanne seit etwa fünfzehn Jahren einen Proceß geführt, welcher die einzige angenehme Unterhaltung des Großvaters der Donna Diana gebildet hatte. Es handelte sich um ein, dicht an Albala’s Besitzungen anstoßendes Hölzchen, in der Umgegend nur das Streithölzchen genannt. Diana wollte das Streithölzchen an den Mann verkaufen, welcher nach dem Besitze desselben ein so hartnäckiges, leidenschaftliches Verlangen bewiesen hatte.

Diana hatte den Herrn d’Albala noch nie gesehen, aber eben weil er ihr fremd war, faßte sie Muth, ihm gegenüber ihr Vorhaben auszuführen. Mit großem Aufwande von Kunst fertigten Diana und Genéviève die nächsten Tage einen leidlichen Anzug, und bald konnte Diana die Freude genießen, sich einigermaßen als Dame gekleidet im Spiegel zu bewundern. Genéviève machte ihrer Herrin eine Frisur, die an Höhe mit der jeder Herzogin wetteifern konnte, und eine Minute später saß Diana hoch zu Roß, den ernsten Pierre hinter sich, und trabte mit ihm zum Schloßhofe hinaus nach dem Hause des Marquis.

Als diese immerhin ungewöhnliche Cavalcade auf dem Hofe des Marquis ankam, ward’s schnell an allen Fenstern und Thüren lebendig. Zahlreiche Diener kamen vor das Haus und sahen sich, sehr ungewiß, was hier zu thun sei, an, und zwei kleine, sehr hübsche Pagen standen und stießen und knippen sich heimlich, indeß sie auf die Dame und ihren Rusticus von Diener mit den Fingern zeigten. Pierre hob seine Herrin vom Pferde, band die Thiere an und folgte Dianen, seine getreueste Flinte in der Hand behaltend.

Der Marquis selbst trat der Fremden auf dem Flur entgegen. Er war ein Mann von etwa fünfzig Jahren, dessen Gesicht, stark markirt, die spanischen Nationalzüge zeigte. Der Marderpelz, welchen er als Hauskleid trug, war so prächtig, daß Diana sich heimlich seufzend gestand, wie wenig sie hier mit ihrem, für Schloß Boprès allerdings ungewöhnlichen, Anzuge zu prunken vermöge.

Albala war die gewandte Höflichkeit selbst. Diana machte ihm den Vorschlag, er möge das Streithölzchen kaufen, und er ging mit Bereitwilligkeit darauf ein, obgleich er gestand, an dem Hölzchen liege ihm weniger, als an seinem Rechte darauf. Noch in derselben Stunde empfing die Herrin von Boprès einen bedeutenden Preis in guten Goldstücken ausbezahlt und empfing die Einladung, den Tag wenigstens bei Albala hinzubringen. Der Marquis war unverheirathet und so galant, als es ein Cavalier der damaligen Zeit immer sein konnte. Herr d’Albala schien ungemeines Gefallen an seinem Gaste zu finden, und er drückte dies auf die zarteste Weise von der Welt aus. Diana war entzückt, denn so verbindlich hatte sich noch Niemand je mit ihr

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/508&oldid=- (Version vom 1.8.2018)