Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/486

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

meine Brust bedrückt. Und Du? Ungehorsame, maßlos Elende, verblendetes Geschöpf ohne Gefühl und Ehre, Du? Ich kenne Dich nicht . . . Ich weiß nicht, ob ich in nächster Minute sterben werde, aber den schwersten Fluch, den ich Dir auferlege, kann ich auch in dieser Minute vor Gottes Richterstuhle verantworten.

Franceschini ließ den Kutscher bei den Todten zurück, ließ die beiden Dienerinnen zu Fuße gehen und hob die ohnmächtige Maddalena auf den Kutschersitz, indeß er selbst eines der Maulthiere bestieg. So fuhr er langsam bis Mitternacht, wo er, an einer einsamen Herberge anderthalb Stunden von Genua angekommen, den Prinzen von Carignan abladen und auf ein sorgfältig bereitetes Lager betten konnte.

Der Prinz war edel genug, den Maler als seinen treuen Diener zu bezeichnen und ihm den Auftrag zu geben, von der Stadt einen Arzt herbeizuholen. Maddalena, fast geistesabwesend, ward in einem festen Kämmerlein verschlossen.

Kaum aber war Franceschini zehn Minuten unterweges, da hörte er lautes Rufen hinter sich. Maddalena mit ihrer Lieblingsdienerin und dem afrikanischen Knaben eilten trotz des schlechten Weges nach und standen jetzt athemlos neben seinem Pferde.

– Um der ewigen Barmherzigkeit willen, sagte die Prinzessin, rettet mich! Rettet mich vor meinem Vater, noch mehr, rettet mich vor mir selbst. Geleitet mich nach Genua, geleitet mich zum Kloster Unserer lieben Frau der Hülfe, damit ich ruhig sterben kann.

Franceschini gehorchte; er fand einen Arzt auf und brachte seine Schützlinge zum Kloster. Hier erst konnte er sich mit sich selbst beschäftigen. Jene Pistolenkugel hatte zwar nur sehr sanft gefaßt, dennoch war seine Streifwunde an der Brust nicht gering. Als die Klosterfrauen den vornehmen Flüchtling voll Mitleid empfangen hatten, war es ihm dunkel vor den Augen und er sank in demselben Augenblicke bewußtlos vor Maddalena auf das Pflaster des Klosterhofes, als er von ihr ewigen Abschied nehmen wollte.

Als der Maler wieder erwachte, fand er sich auf den harten Lager einer kleinen Nonnenzelle ausgestreckt und zwei fromme Schwestern saßen neben ihm. Er besann sich rasch, was geschehen war, und sein Entschluß war bald gefaßt. Es däuchte dem Künstler hier in Genua nicht geheuer . . . . . Ihn kannte Niemand . . . . . Niemand noch hatte ihn außer den Nonnen gesehen . . . Es galt schleunigste Entfernung von diesem gefährlichen Boden.

Bevor er aber ging, wollte er die unglückliche, durch verbotene Liebe unglücklich gewordene Prinzessin von Carignan noch einmal sehen. Seine Bitten bei der Aebtissin drangen endlich durch, man öffnete ihm die Zelle der neuen Magdalena. Ohnmächtig werdend befand sich Maddalena in den Armen ihrer Dienerin, indeß eine Novizin und eine Klosterschwester sich um sie bemühten, um ihr Muth einzusprechen und sie auf ihr Lager zu bringen. Zu Boden geschleudert war ihr reicher Schmuck, den der kleine Neger kaum aufzuheben wagte. Maddalena selbst war halb entkleidet und ihre ermattende Hand hielt noch die Geißel, mit welcher sie die grausamen Bußzüchtigungen an sich vollzogen hatte, welchen ihr zarter Körper, ohnehin von Seelenqual verzehrt, in kaum fünf Monaten unterlag . . .

Franceschini ging zur See von Genua ab und kam wieder auf das sichere Gebiet der Santa Chiesa. Das Bild der Maddalena aber verließ ihn nie mehr, und begeistert von jenem

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/486&oldid=- (Version vom 1.8.2018)