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erlaubt mir Eins. Ueber Katharina’s Entschluß maße ich mir keine Macht an; sie ist die Tochter eines Künstlers, und, liegt die ganze Welt unter Knechtschaft, so soll doch der Maler und sein Kind frei sein und frei bleiben. Ich aber, ich, kann meine Forderung bestimmen. Ich werde keinen von Euch als den Bräutigam meiner Katharina annehmen, bevor Ihr nicht Beweise gegeben habt, daß Ihr Meister in unsrer Kunst seid. Ich will glauben, daß Ihr mehr leisten könnt, als was Ihr, hier im Atelier die Schule verfolgend, zeigen zu können Gelegenheit gehabt habt. Zeigt mir ein Probestück, das ich billig anerkennen darf, und wir werden weiter reden.

Inzwischen kam der Wein und die Gläser klangen aneinander.

– Keinen Toast, wenn ich bitten darf! sagte Rembrandt. Bis dahin, daß Ihr uns die Bilder zeigt, schweigen wir vor Allem!

Der bedeutsame Augenblick für die Jünglinge war gekommen. Sie zogen ihre Rollen hervor.

– Das haben wir erwartet, Meister Rembrandt, sagte Koningk mit einigem Selbstgefühl, und entrollte seine Leinwand. Wir haben ein solches Stück schon gemalt. Und damit keiner vor dem andern einen Vortheil habe, so haben wir denselben Gegenstand gewählt.

Auch Eeckhout entfaltete sein Gemälde. Es waren dies zwei Bildnisse der Geliebten, der schönen Katharina.

– Ach! Ich dachte mir’s! murmelte Rembrandt, die Gemälde rasch aber mit durchbohrenden Blicken musternd. Es pflegt das erste Meisterwerk zu sein, daß der Maler sich an dem Portrait der Geliebten versucht. Versichere Euch aber, Ihr Jungen, daß man später auf dieses überschwengliche Werk mit eigenthümlich nüchternen Empfindungen zurückblickt. Ich weiß das. Ich habe den Kopf des Dienstmädchens von meiner Windmühle, das Bild meiner ersten Geliebten, getreulich aufbewahrt; wenn Ihr wollt, könnt Ihr einmal Euch darüber belustigen.

– Aber Euer Urtheil! stammelten die Maler gleichzeitig.

– Will ich nicht aussprechen, sondern Euch zeigen! sagte Rembrandt. Zufällig habe ich selbst meine Katharina an ihrem siebzehnten Geburtstage gemalt . . .

Rembrandt ging vor einen großen Schrank und kramte zwischen mehren Bildern umher. Die Schüler waren sehr ernst geworden und Koningk flüsterte Eeckhout zu:

– Gerbrand, wir sind verloren!

Rembrandt brachte sein Gemälde hervor und mit einem Ausrufe der Ueberraschung sahen die Jünglinge dasselbe an. Sie schienen das Bild mit den Augen verzehren zu wollen.

– Das ist Katharina! rief Eeckhout in höchster Bewegung, zugleich sein eignes Gemälde auf den Boden schleudernd.

– Ja, das ist sie! stöhnte Koningk.

– Nun, Ihr habt doch auch gemalt? bemerkte Rembrandt mit breitem Lächeln.

Die Jünglinge schwiegen höchst niedergeschlagen.

– Ihr meint, es könnte Euch noch etwas fehlen, bevor Ihr meisterhaft zu malen versteht? fragte Rembrandt.

– Alles! Alles! riefen die Freunde.

– Ihr seid brave Burschen! sagte Rembrandt, Beiden fest die Hände drückend. Ihr wißt, was ich beabsichtigt habe; Ihr wißt, daß ich Euch liebe, daß ich Männer für die Unsterblichkeit

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/396&oldid=- (Version vom 1.8.2018)