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Bon! Dies Mädchen wird uns die beste Anweisung geben können. Wo wohnt sie?

– Da oben! sagte Sans-Regret sehr mißmuthig, nachdem sie mehre Straßen hinter sich hatten. Noch einmal, laßt das Teufelsmädchen zufrieden; sie ist zu unbändig.

– Eben das interessirt mich, Bursch.

Sans-Regret seufzte.

Vor zwei Tagen nämlich war von den Vorposten der Franzosen ein sehr hübsches Mädchen eingebracht und vor den Marschall geführt worden. Guébriant hatte, als er erkundet, sie sei aus Rottweil, Alles vergebens angewendet, um sie über die Besatzung der Stadt auszuforschen. Sie gestand nichts und verlangte frei zu sein. Guébriant ließ sie einsperren.

Dadurch aber brachte er sie vollends auf. Sie sagte ihm ins Gesicht: daß sie lieber sterben, als solchen schändlichen Franzosen, die mit den Schweden gemeinschaftliche Sache gemacht, Nachricht geben werde. Dabei entwickelte sie zugleich eine solche Naivetät, eine solche natürliche Anmuth, die von ihrer Entschlossenheit noch gehoben wurde, daß der feurige Franzmann nicht umhin konnte, sich heftig in die kleine Eigensinnige zu verlieben.

– Ich liebe Dich! sagte er, in das Zelt der Feldwache tretend, wo das Mädchen bewacht wurde. Sieh mich an. Könntest Du meine Leidenschaft erwidern: so mache ich dich zur Marschallin von Frankreich.

– O, ich will nicht! rief Caroline schluchzend; ich habe schon längst einen Geliebten. Er ist kein Marschall; aber viel jünger und schöner als Du bist.

Guébriant drehte ziemlich pikirt seinen langen, schon etwas ins Weißliche spielenden, ungeheuren Schnurrbart, drehte sich auf dem Absatze und ging, verliebter als je im Leben, indeß er das alte Lied brummte:

„Et si le Roi savait
La vie que nous mênons,
Il descendait du trône
Et se ferait Dragon.“

Sans-Regret mußte, weil er mehre Rottweiler Familien kannte, es versuchen, sie zu beruhigen. Sie ward wirklich so zutraulich, daß sie dem Trompeter ihren Namen und ihre Wohnung sagte und bat, daß er sie entschlüpfen lassen möge. Als er statt dessen aber sie ernstlich ermahnte, dem Feldherrn Gehör zu geben, ward sie wieder stumm wie vorher. Eine Stunde später war die Caroline von Rottweil glücklich entkommen; Niemand wußte wie.

Das war die Dame, vor deren Hause die beiden Franzmänner hielten. Guébriant stieg ab, Sans-Regret hielt den Schimmel des Marschalls, und sah höchst ingrimmig murrend zu, wie dieser sich das Haus öffnen ließ und dann klirrend die Treppe hinan ging.

– Wohnt hier Caroline? fragte Oncle Guébriant sehr naiv.

– Ja, die Tochter vom Hause heißt so! erwiderte sehr erzürnt die Magd. Die werdet Ihr doch um so späte Abendzeit nicht besuchen wollen?

Guébriant blickte auf seinen eben nicht sehr empfehlend sehenden Anzug eines gemeinen bairischen Reiters, und erwiderte dann:

– Ja doch, Diantre! führe mich hin; Du wirst sehen: sie wird mich etwas rücksichtsvoller als Du empfangen.

Ein sehr lebhafter Wortwechsel erhob sich. Links und rechts öffneten sich Zimmerthüren

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/377&oldid=- (Version vom 1.8.2018)