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Außenwerke betrachte und meine Kürassiere bedenke, so bemitleide ich schon im Voraus die braven Burschen, die sich, wenn ihre Vertheidigung eintritt, daran die Köpfe zerschellen werden.

– Pah! Wir werden nach Rottweil kommen, sagte Sans-Regret, und dann mache ich mich anheischig, das Fallgitter trotz einer Compagnie dieser baierschen Lanzknechte zu öffnen und offen zu erhalten, bis das: Vive la France! in den Straßen tönt.

Jetzt ward das Thor geöffnet.

Sans-Regret und Guébriant ritten ein. Der erstere stieg vor der Fronte der Arquebusire vor der Thorwache ab und übergab dem Marschall sein Pferd. Ein Offizier empfing den Trompeter und führte ihn in die Wachstube.

Hier befanden sich zwei Männer. Der bairische Commandant und sein Adjutant. Von Schachterer, der Oberlieutenant mit einem ungeheueren, aufgeschlagenen, weißen Filzhute, im Küraß, mit weiten Pluderhosen, Schuhen und Strümpfen, wie es bei dem bairischen Fußvolke gebräuchlich war, betrachtete den eintretenden Sans-Regret mit seinen großen blauen Augen ohne einen Zug von Mißtrauen. Der Franzose dagegen war die personifizirte Ruhe selbst. Während der Commandant sich neben dem Eichentische niederließ, blieb er stehen, übergab seine „falsche Ordonnanz“ und studirte mit überlegenem Blicke in dem Gesichte des Lesenden. Sans-Regret, ein äußerst schöner Mann, ein geborner Picarde, hatte nur ein Bedenken: er hatte eine französische Trompete und auf der breiten Schnalle seines Leibgurtes standen Frankreichs Lilien.

Die Lilien bedeckte er, indeß er seine große Mütze vor die Taille nahm; die Trompete, welche sich unter dem Mantel hervorstahl, überließ er ihrem Schicksale.

– Weißt Du den Inhalt der Ordonnanz? fragte der Infanterie-Offizier.

– Ja! Johannes von Werth ist in einer halben Stunde vor dem westlichen Thore; und Marschall Guébriant ist von der Ostseite her im Marsch auf Rottweil.

– Es heißt, der General, Freiherr von Werth! bemerkte der Adjutant, ein schöner, braunlockiger Mann, welcher seine Thonpfeife rauchte. Den schurkischen Franzosen brauchst Du nur schlechtweg Guébriant zu nennen.

Sans-Regret warf ironisch die Lippen auf. Der Commandant gab seine Befehle, damit die östliche Vorstadt und das entsprechende Thor, im Fall Guébriant unvermuthet angreife, stark besetzt und vertheidigt sei, und wandte sich dann an Sans-Regret, nachdem er den Empfang der Ordonnanz bescheinigt hatte.

– Ihr reitet wieder zurück! sagte der Commandant.

– Nein! wir haben Ordre, hier zu bleiben und Quartier anzusagen. Unser Regiment wird bald eintreffen.

– Begebt Euch nach dem Marktplatze zur Hauptwache; ich selbst werde kommen und Euch weiteren Befehl geben.

Sans-Regret beurlaubte sich, ging hinaus, schwang sich auf sein Pferd und trabte mit dem Marschall stadteinwärts.

– Aber wir reiten nicht zum Markt! sagte dieser dringend. Wir suchen Caroline auf.

– Das hätte noch Zeit, Onkel. Wenn wir nur für unser gutes Gold ein Dutzend entschlossene Männer, meinetwegen mit Aexten, hätten, damit uns diese, wenn unsere Leute kommen, und es entsteht draußen ein Gefecht, das Thor offen halten.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/376&oldid=- (Version vom 1.8.2018)