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bärtiger Sohn Israels, war’s, der Unterhändler bei der Werbung. Er hatte versprochen, der armen Katherina den Brautschatz vorzuschießen, wenn ihn Willem als seine Schuld anerkenne. – Alle Drei aber hatten es darauf abgesehen, den Schiffer zu ihrem Willen zu bewegen.

Ich gebe meiner Katherina zweitausend Goldgülden! rief Taaks. Je well! Ich habe Geld geerbt.

– Ich sage doch nicht: Ja! erwiderte Jan van Bierlieb.

– Was hast Du denn an dem Mädchen auszusetzen?

– Gar nichts! antwortete der Schiffer. Sie gefällt mir, wenn sie Geld besitzt. Aber Mynheer Taaks, Dich mag ich nicht, weil Du kein Bier trinken kannst. Glaubst Du, ich will einen Verwandten, über den ich mich Zeit meines Lebens ärgern muß, statt mit ihm zu zechen?

Isak winkte mit den Augen.

– O, sagte Taaks, ich kann sehr wohl trinken und mehr als Ihr, Mynheer . . .

– Das möcht’ ich sehen! sprach der Schiffer staunend.

– Aber ich trinke nur auf besondre Veranlassung! Bekommt meine Tochter Euren Sohn, wenn ich zechen kann?

– Wer weiß, was Mynheer Taaks zechen nennt! rief Jan sehr aufgeregt. Aber Eins will ich mit Dir eingehen. Kannst Du nur einen Schoppen Bier mehr trinken, als ich, so bist Du ein braver Mann, der morgen schon Katherina in mein Haus bringen mag. Zu Isak flüsterte der Alte aber: Taaks wird unter den Tisch kommen; das ist allein hundert Gülden werth.

Der Wirth brachte Bier und Kreide. Die Zecher leerten eifrig die Gläser und merkten sich jedes geleerte Glas mit einem Kreidestrich auf dem Tische an. Endlich blickte der alte Schiffer den Mynheer Taaks, welcher höchst angenehm und selig lächelte, aber längst zu trinken aufgehört hatte, siegreich an.

– Der Kampf ist zu Ende! rief Jan. Ich kann nichts mehr trinken. Wir wollen die Gläser zählen.

– O, Mynheer, ich habe die meisten Striche! lallte Taaks.

Jan stand sehr beleidigt auf, beugte sich über den Tisch und verglich mühsam seine Kreidestriche mit denen des Gegners.

– Welche Hexerei ist das? sagte der Schiffer die Hand ballend. Du machtest keinen Strich zu viel, ich hab’ genau aufgemerkt, und ich sicherlich keinen zu wenig, und doch hast Du zwei Gläser mehr getrunken als ich, dem’s Niemand im Biertrinken gleich thut?

Willem, der Sohn, sah zum Scheine die Striche nach, während der, den Scherz errathende, alte Ohm höchst vergnügt über seine Schulter schaute. Der joviale, bärtige Isak aber, welcher seine rechte Hand auf Willems Schulter gelegt hatte, blickte den alten Schiffer in seinem komischen Zorne ironisch und überlegen an.

Isak hatte heimlich die Striche des Schiffers, so wie sie hingezeichnet waren, gewissenhaft weggewischt. Jan rief den Wirth zum Zeugen. Dieser nahm die Kreide, ging nach dem Thürpfosten und fing an zu rechnen. Aber der Schalk war in’s Complot gezogen und band die Lüge, welche man dem alten, hartnäckigen Bootsmann aufgeheftet, durch seine Beredtsamkeit vollends auf seinem Rücken fest.

Jan van Bierlieb mußte, getreu seinem Wort, die Segel streichen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/269&oldid=- (Version vom 1.8.2018)