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David Teniers d. J. ward 1610 zu Antwerpen geboren und starb als Director der Antwerpener Kunstacademie im Jahre 1690 zu Brüssel. Von seinem Vater vorgebildet, ward er später ein Schüler von Peter Paul Rubens und verfolgte eine Zeitlang die von diesem gewaltigen Meister als unterscheidendes Zeichen der neueren flamändischen Malerschule eingeschlagene historische und kirchliche Richtung. In mehren hieher gehörigen Stücken zeigte Teniers, daß seine Phantasie eines bedeutenden Aufschwunges fähig war; im Ganzen aber blieb er in idealen oder gar heiligen Gegenständen schwach; ebenso sind seine See- und Thierstücke mangelhaft, nicht selten mißlungen.

Im Genrebilde ist Teniers dagegen der größte flamändische Meister. Er wendet sich hier der vollen Wirklichkeit zu, die er fast portraitartig auffaßt. Er malt das Leben und Weben des Volks, Wirthshaus- und Wachtstuben-Scenen, Bauergesellschaften, Dorffeste. In seinen effectreichen Situationen und im leichten, natürlichen Colorit ausgezeichnet, steht er fast einzig da durch den köstlichen Humor und die unwiderstehliche, breite Komik, welche aus seinen Schöpfungen sprechen. Hier ist David Teniers auf seiner höchsten Höhe.

Der Erzherzog Leopold von Oesterreich, welcher den Meister zu seinem ersten Kammerdiener ernannte, wies ihn durch seine Aufträge ausschließlich auf diese Darstellungen aus dem Leben der niedern Classen hin. Teniers begann seine Studien, indeß er die Urbilder seiner Schöpfungen selbst aufsuchte, obwohl er, dem Cynismus Rembrandts fremd, an diesem Volksleben nicht persönlich sich betheiligte, sondern eben nur den Beobachter machte.

Auf einer solchen Wanderung belauschen wir den genialen Künstler. Er schlendert aus dem altehrwürdigen Antwerpen hinaus, einem Dorfe an der Schelde zu, und begiebt sich in die Stube der Schenke, die ihm schon manche originelle Gestalt geliefert hat. Auch heute fehlen dergleichen nicht.

Von dem alten, triefäugigen, zahnlosen Ohm (Onkel) vom Hause bedient, sitzen vorn in dem gewölbten Schenkzimmer vier Gäste an einem rohen Eichentische. Sie sind in eine so wichtige Angelegenheit vertieft, daß sie weder von dem Wirthe, der Wirthin, noch von einigen Gästen, die sich in der Küche im Hintergrunde des Zimmers zu schaffen machen, Notiz nehmen. Es bedarf nur einer Minute, um aus dem Gespräche dieser vier Menschen zu erfahren, wer sie sind, wie sie heißen, und was sie so eifrig mit einander verhandeln.

Rechts am Tische saß ein alter Scheldeschiffer, mit einem abgelebten, hohen Hute auf dem Kopfe; ein entschlossenes Gesicht von einem struppigen, ganzen Barte beschattet. Wie eine Kriegswaffe hatte er seine gebräunte Thonpfeife und den Tabaksbeutel am Gurt hängen. Diesen Mann nannten die Uebrigen Jan van Bierlieb. An der andern Seite des Tisches saß der Sohn des alten Schiffers, ein etwa zweiunddreißigjähriger kräftiger Mann mit offenen Zügen. Er trug die altniederländische Jacke ohne Aermel und eine, den alten Doctorbaretts ähnliche Kopfbedeckung. Dieser hieß Willem.

Vergebens sucht der Sohn dem Vater die Erlaubniß abzudringen, das schönste aber auch ärmste Mädchen im Dorfe zu heirathen.

Der Vater eben dieser Braut, Mynheer Taaks, hatte dem Schiffer gegenüber Platz genommen. Er war ein sanftmüthig blickender Mann mit langem, braunen Haar. Bald hätten wir den vierten Gast nicht erwähnt, welcher zwischen Vater und Sohn sichtbar wurde; Isak, ein

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Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/264&oldid=- (Version vom 1.8.2018)