Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/257

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

– Und diese Unterredung . . . fragte der Rector mit einem Blicke des Einverständnisses.

– Wird Johann Wilhelm mit eignen Ohren anhören; schloß der Pater Ordensgeneral mit eisiger Kaltblütigkeit. Das Weitere wird der durchlauchtigste Kurfürst dann sehr schnell selbst besorgen. Wir werden die Herren sein im Lande und nicht diese frivole, kirchenfeindliche Florentinerin!

Pater Giuseppe wartete geduldig, bis Maria ihn zu sich fordern ließ. Sie schien fast fieberhaft aufgeregt.

– Ich will Gabriel sehen, Signor! sagte sie mit heftigem Ausdrucke. Diese Qual ertrage ich nicht länger. Meine Kraft ist zu Ende. Erwerbt Euch das Verdienst um ein gemartertes Frauenherz und führt mir meinen unglücklichen Freund zu . . . aber versteht, heute noch, heute!

Der verkappte Jesuit verbeugte sich tief. Kaum konnte er sein Entzücken verbergen. Er eilte fort, nachdem er den Ort und die Stunde des Stelldichein verabredet hatte, und überbrachte dem Kurfürsten die Unglücksbotschaft. Johann Wilhelm schien sehr gefaßt, aber das geübte Auge des Paters sah dennoch, was der Fürst tief im Herzen empfand, und jubelte heimlich.

– Signora Maria und Signor Gabriel, sagte er für sich, in diesen Augen da steht Euer Todesurtheil geschrieben!

– Im Garten also will sie ihn sehen? preßte Johann Wilhelm hervor.

– Ja.

– Um 11 Uhr!

– Wie der durchlauchtigste Kurfürst sagt.

– Gut. Ihr seid entlassen, Priester! und barsch wandte sich der Fürst ab.

Es ließ ihm keine Rast, er mußte seine Gemahlin aufsuchen. Sie klagte, daß sie krank sei und wollte sich in ihre Schlafzimmer begeben. Nie wohl war der Fürst zärtlicher, sanfter, milder, als an diesem Abende. Er schien ihr durch seine Liebkosungen das schlimme Geständniß entreißen zu wollen; aber Maria schwieg. Sie schien in ihren Gedanken, die meilenfern von dem Gatten an ihrer Seite schweiften, vollständig verloren. Die glänzende Hand Johann Wilhelms spielte mit dem kalten, goldenen Knaufe seines Schwertes, dem er in dieser Minute für heute Abend einen unheilvollen Dienst zudachte. Er entfernte sich einsilbig und finster, während Maria in Thränen zurückblieb.

Ihr Entschluß war gefaßt. Als die bestimmte Stunde schlug, hüllte sie sich in ihren Mantel und ging festen Schrittes zum kleinen Schloßgarten. Es war ein stürmischer, regnerischer Abend. Als sie zwischen den Gebüschen und unter den Bäumen, welche ihre schweren Regentropfen auf sie herab schüttelten, forteilte, wurden ihre Schritte durch einen leisen Ausruf gehemmt. Sie erbebte; ihr Herz hatte Gabriels Stimme auch nicht vergessen. Im nächsten Augenblicke lag eine dunkle Mannsgestalt, stumm und schluchzend auf dem nassen Rasen knieend, ihr zu Füßen. Maria streckte ihre Hand aus, die der Trappist mit Küssen bedeckte.

– Du bists, Unglücklicher; sagte sie mit fester Stimme. Ich habe Dich zu sehen verlangt, um Dich von dem Tode, dem Du Dich weihtest, und von der Verzweiflung, der Du auf dieser von Dir betretenen Bahn entgegengehst, zu retten. Täusche Dich nicht. Ich vergesse Dich nicht, aber die Liebe des Weibes zu ihrem Gatten hat die Empfindungen des Mädchens für Dich auf

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/257&oldid=- (Version vom 1.8.2018)