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anderer Maler noch fern; es liegt noch etwas Fremdes zwischen ihnen und uns; das bedeutungsvolle: Actum est! steigt bei uns aus dem Hintergrunde auf, und die Empfindung, welche wir erproben, hat einen größeren oder geringeren Beisatz von historischem Interesse.

Nichts von dem Allen vor Ostade’s Bilde. Dies ist Leben, volles, ganzes, und wir stehen durch das Gemälde mitten drin, und glauben den Pulsschlag desselben zu fühlen. Wir sind dem schaffenden Künstler so nahe gerückt, als möglich. Mit bewundernswerthester Meisterschaft hat sich Ostade so dargestellt, daß wir dicht an ihn hintreten können, um ihn aufs Vollkommenste zu belauschen. Unsere geschäftige Phantasie läßt eins der berühmten Bilder des Meisters nach dem andern unter dem Pinsel hervorschlüpfen; wir sehen uns um, gehen hinter dem Schemel des Künstlers hin, treten zu dem Fenster, wenden uns dann und mustern Alles; denn hier, in der Nähe eines Unsterblichen, ist Alles bedeutend. Fast vergißt man, daß man ein Bild sieht, so fesselnd wirkt das an die Heimath des Malers erinnernde deutsch Seelenvolle, in Verbindung mit der vollendeten Kunst des Meisters in der Ausführung. Bei aller Genauigkeit zeigt Ostade auch hier eine freie, kräftige Pinselführung, eine Perspective, welche nicht wahrer sein kann, vorzüglich aber eine höchst glückliche Beleuchtung. Was hier durch das herrliche Fenster fällt, ist wirklich Licht, und kaum mag man sich wegwenden und aufhören, die Partie vom Fenster bis zum rechten Fuße der Staffelei zu bewundern.




Aufbruch zur Jagd und Rückkehr von der Jagd.
Von Philipp Wouwermann.

Eben hatte es vier Uhr geschlagen. Die herbstliche Sonne zögerte, sich zu zeigen. Chateau La Tour mit seinen stolzen Gebäuden, seinem paradiesischen Boccage und seiner ganzen reizenden Umgebung lag wie eine Perle im Grunde des Thales, von wallenden Nebelschleiern umschlungen. Ueber dem weitern Thale des provençalischen Adour lag in der Tiefe noch blaugraue Dämmerung; dicht über den Gruppen der Gehölze hin aber zogen schon flüchtig wie ein Gedanke schmale Streifen von matter Silberfärbung. Der Fuß des Gebirgszuges im Hintergrunde war von Nebelwolken verborgen; höher hinauf färbten sich die Berge mit sanfter, kirschrother Farbe, und oben um die reizenden Curven hüpfte und huschte schon ein morgenröthliches Flimmern, – der Vorbote des jungen Tages.

Die tiefe Stille, welche über der Landschaft lagerte, ward plötzlich unterbrochen. Hoch oben von der Gallerie von Chateau La Tour, wo das Banner Heinrichs von Navarra, schwer vom Morgenthau, sich hob und kräuselte, schmetterten laute und krause Töne des Hifthornes über das Thal und den Strom und die Fluren.

– Réveillez-vous, preux Chevaliers!
Réveillez-vous, Demoiselles!

So tönte der Ruf des „Trompette“ in der Melodie der alten Fabliaux der Provence.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)