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Jetzt folgte ein Geständniß der Jüdin.

Minna de Witt unterhielt schon seit längerer Zeit ein zartes Verhältniß mit dem Seecapitain Brakel, einem tapfern, kenntnißreichen Offizier, dem aber der alte Cornelius de Witt, eben seiner niedern Herkunft und seiner Armuth wegen, von ganzem Herzen abgeneigt war. Diese Abneigung hatte sich in tödtlichen Haß verwandelt, seit der Seemann seine Augen auf die Tochter des Rathspensionairs zu werfen gewagt hatte. Mara war die Zwischenträgerin, der Postillon d’amour gewesen; hier in dieser Hütte sah die liebliche Niederländerin oft den Geliebten, ebenso oft schlich sich die Jüdin nach dem Palaste, um der schönen Minna de Witt Nachrichten zu bringen, oder um ihr die Karte zu schlagen, wo sich der von den Wogen geschaukelte Freund ihres Herzens befinde und wann endlich das Glück die Thränen dieser Liebe verwischen werde.

John Wilmot konnte sich bei dieser Nachricht kaum enthalten, die Alte zu umarmen. Sie mußte sich neben ihn setzen und Beide fingen einen Plan zu besprechen an, welcher darauf hinaus lief, daß Rochester Minna de Witt noch in dieser Nacht entführen, auf sein Rennschiff bringen und mit ihr nach England unter Segel gehen wollte. Der Don Juan schrieb, als ihm Mara die Handschrift Brakels zeigte, einen Brief an die Schöne, in welcher er möglichst genau des Holländers Schriftzüge nachbildete, und worin er dieselbe um eine Zusammenkunft beschwor.

Mit diesem Briefe machte sich die Jüdin, einen weiten schwarzen Ueberwurf umschlagend und ihren Krückenstock in die Hand nehmend, auf den Weg nach de Witts Palaste.

Rochester, seinen Mantel hoch hinaufschlagend, folgte ihr und blieb an den Blumengärten vor einer Seitenpforte, harrend des Ausganges, stehen. Die Jüdin schlüpfte mit großer Gewandtheit an der Mauer fort und kam in den weiten Corridor, auf welchen Minna’s Zimmer mündeten. Lautenklänge tönten aus der geöffneten Thür; hinter einem aufgeschürzten Vorhange, mit dem Rücken nach dem prächtigen Kamine gewandt, an welchem eine liebeathmende Devise des alten Horaz sich zeigte, saß Minna, halb über einen Tisch gelehnt, und sang eines der sanften Liebeslieder Italiens. Minna war reizender als je. Das Haar war mit Perlen durchflochten, eine Robe von weißem Atlas und ein kurzes Oberkleid, welches oben nachlässig verschoben war und den schwanengleichen Busen zeigte, ließen ihre Schönheit, den reinen Glanz ihres Nackens und ihrer halbnackten Arme strahlender als je erscheinen.

Als Mara erschien, legte sie rasch das Notenbuch und die Laute auf den Tisch und streckte nach dem Brief beide Hände aus. Sie zitterte, sie legte die Hand auf die Augen; sie war so bewegt, daß die Alte heimlich über ihre Besorgniß lächelte: Minna möge entdecken, daß Niemand weniger als Capitain Brakel der Schreiber dieser Zeilen sei.

– Ich soll ihn also sehen! flüsterte Minna, die Hand auf das pochende Herz legend. Und dennoch, warum bin ich heute Abend so beklommen, so unruhig? Welches Unheil droht mir oder dem Geliebten? Meine Zukunft ist finster; ich lebe wie in einem Gefängnisse, und bange vor der nächsten Stunde.

– Zeige mir doch Deine Hand, schönes, stolzes und doch so furchtsames Mädchen! bat Mara schmeichelnd, indeß sie sich der Linken Minna’s bemächtigte.

Nachdem sie dieselbe aufmerksam geprüft, sagte sie, einen Schritt zurück und hinter den Tisch tretend, indeß Minna, den Kopf mit der Hand stützend, sie träumerisch anblickte:

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/131&oldid=- (Version vom 1.8.2018)