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aufstellten, und die Jäger voran, rückte die Truppe nicht ohne ängstliche Spannung vor, um das Gehölz abzutreiben und die Ungethüme aufzujagen. Die Meute war etwa 50 Schritt hinter dem Halbkreise aufgestellt, um sofort hervorzubrechen, wenn sich der Bär zeigen würde.

Unter dem Schmettern der großen Hifthörner wollte die Gesellschaft eben in den Wald dringen, da erhob hinter ihrem Rücken die Rüdenschaar ein furchtbares, wildes Geheul. Betroffen wandten sich Aller Blicke rückwärts – da sahen sie, wie ein furchtbar großer Bär, der, vermuthlich von dem Lärm eingeschüchtert, sich so lange verkrochen gehalten hatte, aus einer bisher unbeachteten Felsenschlucht hervorstürzte, und die blitzenden Augen um sich werfend, die Stelle suchte, wo er sich retten konnte.

Philipp sprengte vor und gab Befehl; da wurden die Hunde losgekoppelt und etwa sechs der stärksten und grimmigsten packten in der nächsten Secunde den zottigen Pelz des Bären. Er erhob sich wild auf die Hinterfüße, und streckte mit jedem Schlage seiner mächtigen Tatzen einen der blutlechzenden Feinde nieder. Dann machte er sich durch eine Gewaltanstrengung los und rannte blind vor Zorn und ängstlicher Wuth geradewegs auf die Jagdgesellschaft an. Da die Damen sich jetzt in der Vorderreihe befanden, so waren sie seinem Anlaufe zuerst ausgesetzt; sie suchten die von dem wilden Schauspiele scheu gewordenen Rosse zu wenden, indeß die Herren vorzudringen strebten; die Folge war eine allgemeine Verwirrung, noch durch das Angstgeschrei der Damen vergrößert.

Jetzt kam der Bär heran; vier Hunde, die sich in seinem Nacken und seinen Flanken festgebissen hatten, mit sich schleppend. Er stürzte mitten unter die Pferde. Indeß die Rosse entsetzt auseinanderstoben, scheute sich Donna Mencia’s feuriger andalusischer Zelter, bäumte sich und schlug über. Die Dame selbst befand sich keine fünf Schritte von dem Bären. Sie hob die Hände empor und gab sich verloren.

Als sie jedoch die Augen wieder öffnete, stand Franz Snyders zwischen ihr und dem Ungethüm.

Das gezückte Schwert in der Rechten, sprang er, ein wahrer Matador, vorwärts und bohrte die zweischneidige flamändische Klinge dem Raubthier durch das Genick. Sterbend brach dasselbe zusammen. Dies war so schnell geschehen, daß sich die Herren mit ihren Speeren kaum noch von der Ueberraschung erholt hatten, worein sie das plötzliche Vordringen des Thieres versetzte.

Während jetzt ein lautes Halali erscholl, von dem Schmettern der Jagdhörner übertönt, beugte sich Snyders, von dem Augenblicke hingerissen und in seiner Aufregung Alles außer seiner Liebe vergessend, nieder, hob Donna Mencia zu sich empor und schloß die Gerettete, die sich leidenschaftlich an ihn anschmiegte, inbrünstig in seine Arme.

Philipp III. stieg vom Pferde und begrüßte den tapfern Niederländer mit lebhaftester Freude. Auch der finsterblickende Graf Lerma trat herzu und gab ihm seinen Glückwunsch. Im Triumphe, reich mit Baumzweigen bedeckt, ward das edle Wild nach dem Lager getragen; ein Fest ward hier veranstaltet, auf welchem Snyders bereits die Skizze des Thierkampfes dem entzückten Könige vorlegen konnte. – Als Jeder den Entwurf bewunderte, sagte Lerma mit Betonung:

„Schade, Sennor Snyders, daß Ihr nicht auch das Talent besitzt, Figuren auf Eure Gemälde

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)