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eine Annäherung bewirkt, und zwei Tage vor der Abreise des Hofes zum Gebirge hatte Snyders ihr seine Liebe – der Glückliche der Glücklichen – gestehen können.

Zugleich aber erfuhr er, welche Hindernisse sich entgegen stellten, wenn er es versuchen würde, Donna Mencia’s Besitz zu erringen. Niemand anders als Graf Lerma war ihr Vormund; dieser hatte bisher das der Donna Mencia gebührende Vermögen sammt den reichen Lehen der Albucalde’s verwaltet, und unermeßlich habsüchtig und geizig, wie der allmächtige Minister es war, hatte er bereits versucht, die Hand darnach auszustrecken, und Donna Mencia zu bewegen, den Schleier zu nehmen.

Mencia d’Albucalde sah in dem geliebten Maler, dem Günstlinge des Königs, ein Werkzeug des Himmels, um sich, abgesehen von ihrer Herzensneigung, gegen die Ungerechtigkeit Lerma’s zu schützen. Snyders hatte nicht sobald diese Verhältnisse erkundet, als er offen von Mencia’s Knechtung durch Lerma bei dem Könige redete. Philipp versprach Abstellung aller Beschwerden der schönen Dame; eine Viertelstunde später aber erzählte er dem Grafen Lerma buchstäblich was zwischen ihm und Franzesko Snyders abgeredet war. Der Graf war wüthend; dennoch traute er seinem wankelmüthigen, nicht selten lügnerischen Gebieter nicht, sondern beschloß, vorerst den Maler auszuforschen.

Die Reise nach Guadarama bot dazu die beste Gelegenheit. Lerma schloß sich an Snyders an, und zog ihn über Ostende’s weltberühmte Belagerung durch Spinola, über Moritz von Oranien, wie über die niederländischen Angelegenheiten in ein Gespräch, wobei er zugleich den Maler in Bezug auf seine Neigung zu Donna Mencia ausholen wollte. Aber der vorhin Arglose war, nachdem ihn die Geliebte angstvoll gewarnt, klug genug ihm auszuweichen, und verstand es zugleich, seine unbesonnene Unterredung mit Philipp III. von einer ziemlich unverdächtigen Seite darzustellen.

Graf Lerma wußte nicht, was er denken sollte. Soviel war ihm indeß als ausgemacht, daß Donna Mencia nicht von seiner Gewalt frei werden und nicht zum Besitz ihrer Güter gelangen sollte, in welchen sie bei ihrer Verheirathung eintreten mußte. Der Spanier beschloß zu beobachten, um Donna Mencia’s Neigung zu ergründen, und dann erst zu handeln.

Die Liebe des schönen Mädchens sollte ihm bald enthüllt werden. Am zweiten Morgen, nachdem das Lager im Gebirge aufgeschlagen war, machte sich der Gallego, ein scharfer Nordwind, auf und strich mit ungewohnter, fast winterlicher Kälte über die Felsen des Gebirges. Die Jäger bezeichneten diesen Tag als einen solchen, an welchem der Bär, der die Wärme scheut, das Lager am liebsten verläßt, um auf Streifereien auszugehen. Demgemäß ward die Meute in Bereitschaft gesetzt, die Rosse wurden gesattelt, die ganze hohe Gesellschaft, den König, den Grafen Lerma und den Maler Franz Snyders an der Spitze, schwang sich auf die Thiere und drang, von den Jägern geführt, muthig und gut mit langen Bärenspießen bewaffnet, durch Schluchten und escarpirte Wege aufwärts in die Sierra vor. Die Damen beschlossen den Zug und unter ihnen strahlte, wie der Mond unter den Sternen, Donna Mencia, welche, die Augen unverwandt auf den Niederländer gerichtet, heute wie von einer trüben Ahnung befangen schien.

Die Jagdgesellschaft war auf einem von Bäumen entblößten Plateau in der Nähe eines Wäldchens angekommen, in welchem ein gewaltiges Bärenpaar nach den Aussagen der Jäger sein Lager hatte. Die Ritter und Jäger schlossen einen Halbkreis, hinter welchem sich die Damen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)