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und billigen Preis des Werkes, wenn man nur die Gewißheit hatte, nun auch das scheinbar entlegenste und bescheidenste Stück im Bilde zu besitzen. Denn schließlich ist nichts so unbeträchtlich, verfallen oder gar abstrus, daß es nicht im Lichte der kritischen Forschung einmal zu einem vollwertigen Zeugnis kennenswerter, ja notwendiger Kräfte der Phantasie und des Geistes aufblühen könnte.

Die letzten Jahre haben uns eine Reihe von Büchern geschenkt, die als Bildinventare führender Museen bezeichnet werden können. Die Gemäldesammlungen sind dabei vorangegangen. Einheitlichkeit der Technik, der künstlerischen Schaffenswerte in bezug auf das Verhältnis zum Betrachter und den Besitzer machten hier die Aufgabe verhältnismäßig leicht. Ebenso konnte sich die Plastik, wenn auch der verschiedenartige Werkstoff hier neue Gesetze schuf, ohne Mühe in den Rahmen fügen. Die Schwierigkeiten stellten sich ein, wo es sich um Werke der angewandten Kunst handelte. Zweck und Material, in kaum mehr zu übersehender Verzahnung, Überschneidung, ja Widersetzlichkeit, schufen hier ein Vielerlei der Erscheinungen, das jeder klaren Ordnung zu spotten scheint. Was für den Gebrauch des Augenblickes geschaffen war, vergänglich in seinem Stoff wie in seiner Idee, was durch Zufall dem Verfall oder der Zerstörung entgangen war, rückte nun oft an die Stelle des Stückes, das einst der Stolz des Meisters, des Bestellers gebildet hatte. Man mochte den Verlust wichtiger Stücke beklagen – erwuchs daraus der Drang, das Unbedeutende auch dann in das Pantheon einer bildlichen Veröffentlichung aufzunehmen, wenn es an hervorgehobener und angesehener Stelle neben den berühmten Meisterwerken des alten Kunsthandwerkes aufbewahrt war?

Die Antwort auf solche Frage setzt uns nicht in Widerspruch mit dem demokratischen Grundsatz, der oben gefunden wurde. Die Natur hat nie zwei gleiche Wesen geschaffen. Ihr Nährboden, ewig erneut, treibt seine Säfte in immer wechselndem Rhythmus und Tempo durch die Adern von Milliarden Lebewesen, die so den Begriff „Gleichheit“ zum Symbol machen. Die Kunst des Menschen trägt nicht allewege den Stempel der göttlichen Zeugungskraft, die selbst ein Elektron noch zu beseelen weiß. Auf unsere Maßstäbe übertragen: von einer Bildpublikation, wie sie das disparate Vielerlei einer Kunstkammer erheischt, numerische Vollständigkeit zu erwarten, ist ebenso unbillig wie unökonomisch. Dies läßt sich auf die verschiedenste Weise begründen. Die Not der Zeit mag den einen Anlaß in den Vordergrund rücken. Er weist daraufhin, daß der Gebrauchsgegenstand künstlerisch gehobener Art, wie er hier zumeist