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hatte anfertigen lassen, um damit die Erinnerung daran festzuhalten, daß ein in dem Wildgehege bei Schloß Moritzburg gehaltener Straußvogel dort ein Ei gelegt hatte. Afrikanische oder amerikanische Straußeneier konnte man damals ja jederzeit zu kaufen bekommen und sicher auch erheblich billiger, als in früheren Jahrhunderten. Es war aber bisher noch nicht vorgekommen, daß ein nach Europa überführter Straußvogel hier ein Ei gelegt hatte. Das in Moritzburg in Sachsen gelegte Straußenei sollte darum als einzigartiges Naturerzeugnis zur Erinnerung daran aufbewahrt und durch eine besondere Fassung ausgezeichnet werden. Das Grüne Gewölbe bewahrte aus den Zeiten, als die Straußeneier noch kostbarer waren, sowohl einzelne ungefaßte und mit Gravierungen fremder Völker gezierte Stücke, wie auch solche in künstlerischen Fassungen. Für diese waren im 16. und 17. Jahrhundert die gebräuchlichsten Formen der in Kandelabermotiven der Renaissance aufgebaute Deckelpokal mit einem in zwei Teile zersägten aufrecht gestelltem Ei als Deckelgefäß und die Nachahmung der Gestalt des Straußvogels, bei der ein Ei in wagrechter Lage die Stelle des Körpers vertrat. Man wählte nun eine Form, die zwischen beiden Typen die Mitte hält und man bediente sich dazu eines Kunsterzeugnisses, das dem Sachsenland Weltruf verschafft hatte, des Meißner Porzellans.

Der aus bemaltem Porzellan gebildete Fuß und Schaft des Pokals lehnt sich an die überlieferte Form des Deckelpokals an, indem auf dem in gewölbter Rundung gebildeten Boden ein Baumstamm steht, der zugleich mit den ihn umfassenden Beinen des Vogels eine kompakte geschweift verjüngte Stütze des Gefäßes bildet. Ein engerer Anschluß an die Gestalt des Vogels wird dann aufgegeben, das Ei ist wie bei den Pokalen der Renaissance als Gefäß aufrecht gestellt und nach Absägen des oberen Viertels mit einem silbernen Deckel versehen, aus dem senkrecht Hals und Kopf des Straußenvogels als Spitze emporstrebt. Das Ei ist wie früher am Mundrand und Deckel in vergoldetes Silber gefaßt, der Mundrand durch Schienen mit dem Schaft verbunden, ebenso hat auch der Boden einen silbervergoldeten Fußrand erhalten. Der ziselierte Lambrequinfries am Mundrand, die Schienen, der Deckel und der Fußrand bekunden durch ihr Laub- und Bandwerk die Entstehungszeit der Fassung zwischen 1734 und 1740. Diese war nicht einem Silberschmied, sondern einem Dresdner Emailleur und Juwelier Herfurth übertragen worden, der sonst im Grünen Gewölbe mit Werken nicht vertreten ist, was sich dadurch erklärt, daß nach dem Tod Augusts des Starken 1733 nur noch ausnahmsweise diese