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mir ner an Bum häten wiea unser Nachber und der wenn ner su groaß wär wia Dauma, noa wär mer a zfrieden. Richti, etz hems an Bum gkriagt und is halt nit größer worn wie a Dauma, is ober arg fleißig gwest. In an Tog hatt etz der Vatter ins Holz gmüßt und der Bua, der hatt Daumesdick ghassen, hat mitn Wagn noachfahrn solln. Sei Mutter hatn helfen eigspannt und der Daumesdick hatt si in Sattelgaul sei Ohr neighockt und unter „hot, wist, wia“ gings fort. Etz stets net lang und kumma a poar Frema deher. Dia hem den a wel schreia härn, hemen oder nit gsehng. Sennts halt den Fuhrwerk a wel noachgloffn, bis er in Wald din ghalten hat. Der Daumesdick hat na etz halt su arg gfalln, daß sie den Vatter alles botn, ihn an sie zu verkafn. Des is in Daumesdick sein Vatter bloaß zon Lachen gwest. Der Daumesdick obber is su hell gwest und is in a Mausluch neigschlupft und hat si nemmer blicken lassen. Die senn noa widder fortganga und der Daumesdick hat sein Vatter gholfen.


Aufgeschrieben durch Ackerbauschüler Gg. Hörauf aus Lammersdorf; dem Verein übergeben durch Herrn Landw.-Lehrer Behr in Triesdorf im April 1906.

** Die wörtliche Uebertragung ins Schriftdeutsche.

Es ist einmal ein Mann gewesen, der war ein Korbmacher. Und wie (als) sein Weib ihm eines Abends eingeschürt hat, hat ihr Mann zu ihr gesagt: „Wenn wir nur einen Buben hätten wie unser Nachbar und der wenn nur so groß wäre wie ein Daumen, nachher wären wir auch zufrieden.“ Richtig, jetzt haben sie einen Buben gekriegt (bekommen) und ist halt nicht größer geworden wie ein Daumen, ist aber arg fleißig gewesen. In (an) einem Tag hat jetzt der Vater ins Holz (in den Wald) gemüßt und der Bub, der hat Daumesdick geheißen, hat mit dem Wagen nachfahren sollen. Seine Mutter hat ihm einspannen helfen und der Daumesdick hat sich in [den] Sattelgaul sein Ohr (in das Ohr des Sattelpferdes) hineingehockt und unter „hott, wist, wia“ gings fort. Jetzt steht es nicht lang [an] und [es] kommen ein paar Fremde daher. Diese haben den [im Ohr] eine Weile schreien hören, haben ihn aber nicht gesehen. Sind sie halt dem Fuhrwerk eine Weile nachgelaufen, bis er (Daumesdick) im Wald drinnen gehalten hat. Der Daumesdick hat ihnen jetzt halt so arg gefallen, daß sie dem Vater alles boten, ihn an sie zu verkaufen. Das ist dem Daumesdick seinem Vater bloß zum Lachen gewesen. Der Daumesdick aber ist so hell gewesen und ist in ein Mausloch hineingeschlüpft und hat sich nicht mehr (nimmer) blicken lassen. Die [Fremden] sind nachher wieder fortgegangen und der Daumesdick hat seinem Vater geholfen.


3. Die Stiefmutter und der Seelenvogel.
(Oberpfalz: Amberg.)

Einmal war eine böse Stiefmutter. Die hatte drei Stiefkinder. Das größere Kind hungerte arg und bat die Mutter um Brot. Die Mutter sagte: „Geh dort an die Truhe und nimm einen Apfel!“ Das Kind ging an

Empfohlene Zitierweise:
Karl Spiegel: Märchen aus Bayern. Selbstverlag des Vereins für bayrische Volkskunde und Mundartforschung, Würzburg 1914, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiegel_Maerchen_aus_Bayern.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)