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Hans wurde angst und bang, er kannte den nobeln Herrn, es war der Hexenmeister. Hans sagte leis zum Bauern: „Verkaufe mich nicht!“ Darüber wäre der Bauer bald omich worn; ein Gaul, der reden konnte, war ihm was Neues. Der Bauer verkaufte den Gaul nun erst recht nicht; denn einen Gaul, der reden konnte, hatte nicht jeder Mensch. Er führte also den Hans heim in seinen Stall. Im Stalle litt es Hans nicht lange, er machte sich zu einer Fliege und flog durch einen Fensterritz davon. Wie er so dahin flog, sah er unter sich den Hexenmeister gehen; aber auch dieser hatte den Hans bald bemerkt. Er machte sich zu einer Schwalbe und flog dem Hans nach. Bald hätte er den Hans erschnappt, aber Hans machte sich zu einem Fingerle (Fingerringlein) und fiel vor einem Mädchen nieder, das gerade daher ging. Das Mädchen sah das Fingerle, hob es auf und steckte es an seinen Finger, wohin es recht schön paßte. Alle Tage kam nun ein Mann, der dem Mädchen das Ringlein abkaufen wollte. Doch das Mädchen gab es nicht her. Eines Tages, als der Mann wieder lange umsonst gehandelt hatte, wollte er dem Mädchen das Ringlein mit Gewalt nehmen. Da fiel das Ringlein auf den Boden und wurde zu lauter Hirsekörnern. Der fremde Mann, es war der Hexenmeister, machte sich zu einem ‚Göhger‘ (Hahn) und fraß die Hirsekörner auf; dann flog er davon. Die Sache hatte aber doch einen Haken gehabt; der Hexenmeister glaubte, er hätte den Hans vertilgt, aber der Hans lebte noch. Ein Hirsekörnlein, welches der Hans selbst war, hatte der Hexenmeister übersehen. Dies Hirsekörnlein war in des Mädchens Pantoffel gefallen und dort hatte es der Hexenmeister nicht gesehen. Hans verwandelte sich wieder in seine richtige Gestalt und freite um das Mädchen, das ihn schon als Ring an der Hand getragen hatte. Das Mädchen fand Gefallen an Hans und wurde seine Frau.

Sie lebten sehr lange und waren glücklich miteinander. Aber nie soll Hans seiner Frau etwas von seiner Hexenkunst erzählt haben und ihr auch nie gesagt haben, daß sie ihn schon als Ring an der Hand getragen habe. Gegen seine Frau war Hans sehr gut, da er sich immer dachte, hat sie mich als Ring schon so gern gehabt, so hat sie mich als Mensch noch viel lieber.

Seine Hexenkunst hat Hans nie mehr ausgeübt, da er bei seinem ersten Versuch so viel Angst hat ausstehen müssen, und wenn einmal die Rede aufs Hexen kam, soll Hans immer gesagt haben: Das ist nichts für rechtschaffene Leute.


Aufgeschrieben durch Herrn Adolf Schäfer, z. Z. Steuerrevisor in Fichtelberg, O.-Fr.; dem Verein übergeben am 3. 2. 1896. (Urschrift.)


10. Das tränennasse Totenhemd.
(Mittelfranken: Oestheim b. Rothenburg a. T.)

Amol is era Frau ihr Kind gstorbn. Do hot s’ so geweint und geweint und hot sie nimmer tröistn welln. Do is immer a schwarzer Krabb (Rabe) an ihr Fenschter hergflogn. Und amol is die Frau ins

Empfohlene Zitierweise:
Karl Spiegel: Märchen aus Bayern. Selbstverlag des Vereins für bayrische Volkskunde und Mundartforschung, Würzburg 1914, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiegel_Maerchen_aus_Bayern.djvu/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)