Seite:Schwaeb Gmuend und seine Umgebung 004.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

des Erdgeschosses, durch Wasserspeier an den Dachrinnen und Windfahnen und durch die prächtigen, mit Wappen versehenen Portale. Von den vielen greifen wir das Rathaus heraus.

Das ehemalige Rathaus stand mitten auf dem oberen Marktplatz da, wo gegenwärtig sich der Kandelaber befindet, und war von dem Baumeister Peter Prim i. J. 1523 aus Eichenholz erbaut worden.

Das jetzige Rathaus, in den Jahren 1783-1785 erbaut, ist neuerdings bedeutend erweitert und umgebaut worden und kann sich nun in seinem neuen Gewande sehen lassen. Sehenswert ist der neue vornehm ausgestattete Sitzungssaal.

Zu diesen höchst geschmackvoll gebauten Rokokohäusern der Altstadt, die bis heute auffallend in ihrer Umgebung stehen, gehören nebst dem Rathaus das nebenanstehende ehemals Salzfaktor Mayersche Haus, das Mohrsche Haus, das jetzige Postgebäude am Markt, das sog. Kapitelshaus am Kirchplatz, das Hofrat Schabelsche Haus in der Schmidgasse, das Taubstummeninstitut u. a.

An Brunnen aus noch früherer Zeit bezeichnen wir den sog. Röhrbrunnen auf dem Marktplatz und den Brunnen vor der Stadtpfarrkirche. Die Brunnensäule des ersteren krönt ein Doppelbild der Muttergottes mit dem göttlichen Kinde. Am eisernen Brunnenkasten sind Wappen angesehener Adelsgeschlechter angebracht. Die steinerne Brunnensäule des Brunnens vor dem Chor der Stadtpfarrkirche ist reich mit sirenenartigem Schmuck geziert und gehört der Renaissancezeit an. Ihr korinthisches Kapitell trägt einen Löwen, das württembergische und Gmünder Wappen haltend. Die Rückseite zeigt die Jahreszahl 1604. Auch die eisernen Träger der Brunnenröhren sind gut im Stil gehalten, und den Brunnenkasten zieren in Eisenguß Familienwappen. -

2. Neuere und neueste Bauwerke.

Zu den neueren und neuesten hervorragenden öffentlichen Bauten der Stadt zählen das katholische und evangelische Schulhaus, das Blindenasyl, das Gewerbemuseum, die Präparandenanstalt, das neue Volksbad, das Königl. kathol. Schullehrerseminar und das Realgymnasium, St. Ludwig und St. Loreto, sowie eine große Zahl von Privat- und Fabrikgebäuden, besonders auf dem neuen westlichen Stadtteil Schwörzer.

Des Raumes wegen können nur nur einige wenige herausgreifen: das Gewerbemuseum befindet sich in dem mit dem Spital mittels einer Durchfahrt für die Straße vom unteren Marktplatz zum Bahnhof verbundenen prächtigen Neubau über dem ehemaligen Waisenhaus; es wurde i. J. 1876 gegründet und ist eine Privatvereinigung zum Zwecke der Förderung der Gmünder Hauptindustrie, unterstützt durch jährliche Beiträge vom Staate, von der Stadt und der Amtskorporation. Dieses gemeinnützige Institut enthält eine Sammlung von gegen 3000 kunstindustriellen plastischen Vorbildern älterer und neuerer Zeit in Edel- und Unedelmetall-Industrie und eine Bibliothek von 1500 Werken künstlerischen, wissenschaftlichen und technologischen Inhalts, beide zum Studium der Industriellen und Arbeiter dienend.

Angeschlossen an dieses Institut und unter derselben Verwaltung stehend befindet sich die Julius Erhardsche Gmünder Altertumssammlung.

Da das städtische Archiv im alten Rathaus durch Feuer zerstört wurde, wobei die alten Urkunden mit zugrunde gingen, ist es ein um so schätzenswerteres Verdienst des verstorbenen Kommerzienrat J. Erhard, der alles, was sich an Kunstgegenständen, Inschriften, Gegenständen des Gebrauchs, alten Stichen und Zeichnungen u.s.w., soweit dieselben auf die Vergangenheit Gmünds Bezug hatten, aus Privathänden gesammelt, vereinigt und der Stadt Gmünd zum Geschenk gemacht hat. Diese einzig in ihrer Art dastehende großartige Sammlung befindet sich im Hause der „Fortbildungsschule“ am unteren Marktplatz, und kein Besucher Gmünds sollte versäumen diesen hochinteressanten Sammlungen einen Besuch abzustatten.

Aus Anlaß der Herbstversammlung des Albvereins ist im gleichen Anwesen (Waisenhaus) auch eine große Sammlung von hübschen Aquarellbildern (Landschaftsbildern aus Gmünd u. Umgebung), gefertigt von Fabrikant Hermann Bauer, Vorstand des Gewerbemuseums, zur Besichtigung ausgestellt. Sehr besuchenswert ist auch das Naturalienkabinett, Ausstellungslokal des Vereins für Naturkunde in Gmünd, das ebenfalls im Waisenhaus sich befindet.

Die städtische Badeanstalt Volksbad. Eine Zierde der Stadt ist die i. J. 1902 vollendete städtische Badeanstalt. Sie liegt im sog. Schulviertel und präsentiert sich als ein stattlicher, massiv aus Hausteinen im altdeutschen Stil erstellter, im Innern und Aeußern ziemlich luxuriös ausgestatteter Prachtbau. Dafür beanspruchte er aber auch einen Kostenaufwand von 360 000 Mk.

Gleich beim Ueberschreiten des Haupteingangs überrascht das hohe, vornehm ausgestattete Vestibul (Vorhalle) mit den schönen, breiten, zentral angelegten Treppenaufgängen, wodurch der Vorderbau in zwei Hälften geteilt wird. Auf eine eingehendere Beschreibung der inneren Einrichtung dieses Teils der Badeanstalt können wir uns nicht einlassen; ein kurzer Besuch zeigt mehr als alle Einzelschilderung. Nur das wollen wir anführen, daß alles auf das bequemste und modernste eingerichtet ist. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der vorhandenen Badegelegenheiten: Wannenbäder, medizinische, elektrische, kohlensaure Bäder, Fangobäder, Kneippsche Behandlung, Dampf- und Heißluftbäder - genügen bei fachkundiger Behandlung des geschulten Personals allen billigen Ansprüchen von vornehm und gering vollauf. Nur dem prächtigen Schwimmbad im Hinterbau wollen wir einen kurzen Besuch abstatten.

Das Schwimmbassin ist im Licht 18 m lang. 9,5 m breit und 0,9 bis 3 m tief, unter Wasser mit blauen, über Wasser mit weißen Plättchen ausgekleidet. Ueber ihm wölbt sich die 11 m hohe Schwimmhalle mit Stukkaturdecke, zur Nachtzeit mit 4 elektrischen Bogenlampen feenhaft beleuchtet. Ringsum zieht sich für die Zuschauer eine Galerie - dicht besetzt bei besonderen festlichen Veranstaltungen, z.B. beim Schauschwimmen der Gesellschaften Delphin und Neptun.

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Kaißer: Schwäb. Gmünd und seine Umgebung. Tübingen, 1907, Spalte=271-272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schwaeb_Gmuend_und_seine_Umgebung_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)