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„Nun noch eine Sache, von der ich nicht gern spreche,“ sagte Brune, als wir mit dem Hauptgeschäft zu Ende gekommen waren.

Ich horchte auf. „Was ist es?“

„Ich vertraue Ihnen durchaus,“ fuhr Brune fort. „Was Sie versprochen haben, für meine Familie zu tun, das werden Sie redlich tun, wenn Sie können.“

„Freilich kann ich. Ich habe die Mittel in meinem Besitz.“

„Das meine ich nicht,“ warf Brune ein. „Wenn alles gut geht morgen nacht, dann bin ich des Geldes so sicher, als wenn ich es jetzt schon in meiner Tasche hätte. Das weiß ich. Aber es mag auch morgen nacht nicht alles gut gehn. Die Sache ist gefährlich. Der Zufall kann sein Spiel haben. Ihnen kann etwas Menschliches passieren und mir auch, uns beiden. Und was wird dann aus meiner Frau und meinen Kindern?“

Er schwieg, und ich einen Augenblick auch. „Nun, was wollen Sie weiter sagen?“ fragte ich dann. „Wenn Sie sich die Sache richtig bedenken,“ antwortete Brune langsam, „so werden Sie selbst einsehen, daß das Geld in den Händen meiner Familie sein muß, ehe ich meinen Kopf wage.“ „Sie meinen selbst, daß ich mir die Sache bedenken soll“, sagte ich nach einigem Zaudern. „Ich will mir also überlegen, wie es zu machen ist, und Ihnen so bald wie möglich Bescheid geben. Wollen Sie unterdessen alles der Abrede nach fertig machen?“

„Verlassen Sie sich drauf.“

Damit sagten wir uns gute Nacht.

Die Stunde, die ich dann in der Einsamkeit meines Zimmers im Krügerschen Gasthause mit mir selbst zu Rate gehend zubrachte, werde ich nie vergessen.

Das Geld, eine nach meinen Begriffen sehr große Summe, war mir für einen bestimmten Zweck anvertraut worden. Ging es verloren, ohne daß dieser Zweck erfüllt wurde, so war es um Kinkel geschehen, denn eine solche Summe ließ sich schwerlich zum zweitenmal für ihn aufbringen. Meine persönliche Ehre war auch verloren, denn ich hatte dann den Verdacht der Unredlichkeit auf mir, – oder im besten Falle den Vorwurf sträflichen Leichtsinns. Und war es nicht wirklich sträflicher Leichtsinn, einem mir unbekannten Menschen, auf ein bloßes Versprechen hin, ohne weitere Garantie, das mir anvertraute Geld auszuliefern? Was wußte ich von Brune? Nichts, als daß sein Gesicht und seine äußere Haltung auf mich einen günstigen Eindruck gemacht hatten, und daß er bei seinen Bekannten in gutem Rufe stand. Und diese Bekannten hatten mir gesagt, sie würden mir Brune zu allererst zugeführt haben, hätten sie nicht gedacht, daß ein Mann wie Brune sich schwerlich auf mein Ansinnen einlassen würde. Freilich hatten sie hinzugesetzt, daß, wenn er das täte, man sich auf ihn am zuversichtlichsten würde verlassen können. Aber war nicht für einen Menschen in seiner Stellung die Gelegenheit, sich eine solche Summe Geldes anzueignen und dann seine Amtstreue durch meine Auslieferung an die Behörden zu beweisen, im höchsten Grade verführerisch? Und würde nicht derjenige, der einen solchen Verrat im Sinne führte, genau so handeln wie Brune? Würde er nicht durch die bestimmtesten Versprechen und

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Carl Schurz: Lebenserinnerungen bis zum Jahre 1852. Berlin: Georg Reimer, 1911, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schurz_Lebenserinnerungen_b1_s199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)