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Stück Fleisch, einen Schluck Wein zukommen zu lassen, um ihn wenigstens einigermaßen bei Kräften zu erhalten, bis des Königs Gnade sich seiner erbarme?

In der Tat, meinte Schmidt, es würde wohl ein gutes Werk sein, – vielleicht nicht unmöglich, aber gefährlich. Er wolle zusehen, was sich tun lasse.

Dann schob ich Schmidt eine Zehntalernote in die Hand mit der Bitte, damit für Kinkel etwas Stärkendes zu kaufen, das er ihm ohne Gefahr zustellen könne. Ich müsse jetzt meiner Geschäfte wegen Spandau verlassen, werde aber in wenigen Tagen zurückkehren, um zu hören, was für einen Bericht er mir dann über den Zustand des Gefangenen geben könne. Meiner Dankbarkeit dürfe er gewiß sein.

So trennten wir uns. Nachdem drei Tage vergangen, fuhr ich abends wieder nach Spandau und sah Schmidt in derselben Weise wie früher. Er erzählte mir, es sei ihm gelungen, Kinkel eine Wurst und einen kleinen Laib Brot zuzustecken, und er habe den Gefangenen in guter Verfassung gefunden. Er sei auch bereit, in ähnlicher Art noch mehr zu tun. Natürlich wollte ich nicht, daß er sich selbst deshalb in Unkosten stürzen sollte, und gab ihm daher eine zweite Zehntalernote. Diese aber begleitete ich mit dem Wunsche, daß Schmidt einen kleinen Zettel von mir in Kinkels Hände liefern und diesen mit einem Worte von Kinkel mir zurückbringen sollte. Auch dies versprach Schmidt auszuführen. Ich schrieb also auf ein Stückchen Papier ein paar Worte ohne Unterschrift, etwa wie folgt: „Deine Freunde sind treu. Halte dich aufrecht.“ Es war mir weniger darum zu tun, Kinkel von mir Nachricht zu geben, als mich davon zu überzeugen, ob Schmidt meinen Auftrag wirklich erfüllt habe, und ob ich mit ihm weitergehen könne.

Ich verließ also Spandau wieder und kehrte nach wenigen Tagen zurück. In derselben Weise wie früher stellte Schmidt sich ein und brachte mir auch meinen Zettel wieder, der ein Wort des Dankes in Kinkels Handschrift trug. Schmidt hatte also sein Versprechen gehalten, damit aber auch einen Schritt getan, der ihn schwer kompromittierte. Nun schien es mir an der Zeit, eingehender mit ihm zu reden. So sagte ich ihm denn, der Gedanke sei mir durch den Kopf gegangen, daß es ein sehr löbliches Werk sein werde, Kinkel gänzlich aus seiner entsetzlichen Lage zu befreien, und ehe ich nach dem Rheinlande zurückkehrte, hielte ich es für meine Pflicht, ihn, Schmidt, zu fragen, ob diese Befreiung mit seiner Hülfe nicht ins Werk gesetzt werden könne. Schmidt fuhr auf und fiel mir sogleich ins Wort. Das sei unmöglich, sagte er. Mit einem solchen Versuche dürfe und wolle er nichts zu tun haben.

Die bloße Andeutung hatte ihm offenbar einen Schrecken eingejagt, und ich erkannte deutlich, daß dies der Mann nicht sei, den ich brauchte. Jetzt galt es, ihn los zu werden und mich zugleich seines Schweigens zu versichern. Ich drückte mein Bedauern über seine Ablehnung aus und setzte hinzu, daß, wenn er, der mir als ein mitleidiger und zugleich mutiger Mann bezeichnet worden sei, den Versuch für hoffnungslos halte, ich seine Meinung annehmen und die Sache aufgeben müsse. Ich werde also ohne Verzug nach dem Rheinlande abreisen und nicht wieder

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Carl Schurz: Lebenserinnerungen bis zum Jahre 1852. Berlin: Georg Reimer, 1911, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schurz_Lebenserinnerungen_b1_s193.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)