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Walther Kabel: Romanhaftes aus der Geschichte der Sparkassen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 7)

Als bei den Seinen, die täglich auf seine Rückkehr nach Hannover warteten, eine Woche später noch keine Nachricht eingetroffen war, reiste Frau Hindersen in Begleitung ihres ältesten, siebzehnjährigen Sohnes nach Hamburg und begann dort nach dem Verbleib ihres Gatten Nachforschungen anzustellen. Doch der blieb spurlos verschwunden und mit ihm auch sein ganzes Bargeld; hatte Hindersen doch erst in Hamburg den Plan gefaßt, sein Vermögen der Sparkasse zu übergeben. Allerlei zufällige Umstände machten es besonders wahrscheinlich, daß der Kaufmann Mördern in die Hände gefallen war, die ihn beraubt und seine Leiche beseitigt hatten.

In jenen unruhigen Zeiten konnte die Hamburger Polizei sich nicht viel um den Verbleib eines einzelnen Menschen kümmern, und so geriet die ganze Angelegenheit schnell in Vergessenheit. Hindersens Familie blieb in Hannover wohnen, wo auch die Eltern der durch den Verlust ihres Mannes völlig gebrochenen Frau ansässig waren.

Ein halbes Jahr später, im Oktober 1805, erhielt dann Hindersens Frau zu ihrer großen Überraschung von ihrem längst totgeglaubten Gatten einen Brief aus Havanna, in dem er über sein Schicksal berichtete und mitteilte, daß er nach seiner völligen Wiederherstellung von dem Malariaanfall, an dem er zurzeit krank im Jesuitenkloster in Havanna daniederliege, mit dem nächsten nach Europa bestimmten Segler zurückkehren werde.

Dies war das letzte Lebenszeichen des so hart vom Schicksal heimgesuchten Mannes. Als er nach Verlauf eines weiteren halben Jahres noch immer nicht in Hannover bei den Seinen eingetroffen war und zwei inzwischen an das Kloster in Havanna gerichtete Briefe mit dem Vermerk „Empfänger nach Europa mit Schonerbark ‚Britannia‘ unterwegs“ zurückgekommen waren, schrieb Frau Hindersen an die Reederei in Glasgow, deren Eigentum die „Britannia“ nach Auskunft der Hamburger Hafenbehörde sein sollte, und erkundigte sich nach dem Verbleib des Schiffes. Die Auskunft war niederschmetternd: der Segler sei von einem französischen Freibeuter, dem er sich

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Walther Kabel: Romanhaftes aus der Geschichte der Sparkassen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 7). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Romanhaftes_aus_der_Geschichte_der_Sparkassen.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)