sich nicht bezwingen. Und vergebens wand er sich in diesen erbarmungslosen Krallen, vergebens bemühte er sich, den Zustand seiner eigenen Seele zu verstehen …
Und aus Betsy schien das Leben zugleich mit den Tränen herauszuströmen, denn sie fühlte, daß von diesem furchtbaren Augenblick ihr ganzes Glück abhing. Ein grenzenloser Kummer, eine tiefe Traurigkeit bemächtigten sich ihrer. Sie hatte keine Kraft mehr zu weinen noch zu klagen, nur ihre qualversengten Augen sprachen stumm von ihrem Schmerz.
Zenon war in einem Augenblick des erbitterten Kampfes mit sich selbst plötzlich aufgesprungen.
„Was geht mit mir vor! Betsy!“ schrie er und versuchte etwas von sich zu stoßen. In seinen Augen war Angst und Wahnsinn. Sie stürzte auf ihn zu und begann ihn, trotzdem sie zu Tode erschrocken war, mit den zärtlichsten Beschwörungen zu beruhigen. Er sah sie mit grenzenloser Verachtung an und stieß sie von sich.
„Zen!“ stöhnte sie auf, vor seinen wilden, wahnsinnigen Blicken zurückweichend. Doch zum Glück beruhigte er sich beinahe sofort wieder und setzte sich neben sie.
„Was war Ihnen denn?“ Sie konnte die Frage nicht unterdrücken.
„Irgendein Trugbild verfolgte mich … Etwas, was man nicht in Worte kleiden kann …“
„War es so, wie damals bei uns?“
„Nein, nein … Ich bin furchtbar nervös!“ Er sah sich ängstlich um und begann schnell zu sprechen,
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/309&oldid=- (Version vom 1.8.2018)