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„Betsy erwähnte, daß auch Sie an spiritistischen Sitzungen teilnehmen.“

„Mich interessiert diese Form von Wahnideen. Ich war bei einigen Sitzungen und habe so außergewöhnliche Erscheinungen gesehen, daß mein Verstand und mein Wissen damit nicht in Einklang zu bringen sind, aber trotzdem sind es Tatsachen und Wahrheit. Ich untersuche es übrigens nicht näher und sammle diese phantastischen Erscheinungen nur als Material, das mir einmal sehr zustatten kommen kann.“

„Ich würde mich vor diesen Seancen und den Wundern fürchten, die dort geschehen. Ich bin überzeugt, daß sich in den Tiefen dieser unsauberen Sachen der Satan verbirgt und die menschliche Seele mit Wunderdingen versucht und sie mit dem Versprechen, sie würde die Schwelle des Unerforschten übertreten, hypnotisiert und in den Abgrund hinabzieht …“

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Und wäre es auch nur ein Wahn. Ich fürchte diese dunklen Gewalten! Vielleicht ist die Hölle kein Produkt von Aberglauben und Furcht? Mir ist es, als ob jenseits unseres Bewußtseins sich ein furchtbarer Abgrund öffne, in dem es von entsetzlichen Ungeheuern wimmelt, von geheimnisvollen Daseinsformen und unfaßbaren Fratzen. Und wer einmal, von Neugier verleitet, in diese Tiefen hinunterschaut, der muß verloren sein! Ich glaube tief an Gott, ich liebe die Sonne und den hellen Tag, ich liebe das Leben und habe große Furcht vor allem, was nicht von dieser Welt ist!“

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/286&oldid=- (Version vom 1.8.2018)