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über sie ergoß wie ein langanhaltender Regenschauer. Sie setzte sich im Hintergrunde auf etwas von der Art eines Thrones und saß unbeweglich da, voll Majestät und Erhabenheit, und auf der Estrade erschien ein alter Hindu in einem wallenden goldgrünen Gewand, mit einem riesigen Turban auf dem Kopf und kündigte den experimentellen Teil an, der mit Beihilfe des Mediums vor sich gehen sollte, das angeblich aus einem lamaitischen, aus den völlig unzugänglichen Höhen des Himalaja gelegenen Kloster entführt worden war.

„Der Augenblick der Wunder naht!“ flüsterte Daisy ironisch. „Wie ist Ihnen die Prophetin vorgekommen?“ fügte sie leise hinzu.

„Das Gesicht sehr gewöhnlich, die Augen verschlagen, eine gewaltige Willenskraft, das Ganze: pyramidal!“ Er erklärte die Bedeutung dieser Bezeichnung und schloß: „Aber sie spricht ausgezeichnet.“

„O ja! Sie hält die Getreuen hervorragend zum Narren, und im besten Falle sich selbst mit! Doch nein, dafür ist sie zu klug! Sie weiß, daß die Leute vor allem nach Wundern lechzen!“

„Jeder Kultus stützt sich gern darauf und sucht sein Dasein damit zu begründen.“

Sie antwortete nicht, denn man hatte die Lichter etwas gedämpft, so daß in dem bläulichen Rauche der Becken nur die goldene Buddhastatue geheimnisvoll funkelte und an den Wänden nur hier und dort ekstatische Gesichter auftauchten, heilige Embleme und Zeichen.

Die weiße Gestalt der Blawatska leuchtete undeutlich

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/268&oldid=- (Version vom 1.8.2018)