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empor, die die Gottheit und den ganzen Saal in bläuliche Wolken hüllten. Auf den Stufen des Altars inmitten von Kränzen und Girlanden aus weißen Rosen, Hyazinthen und Narzissen zuckten die Flämmchen unzähliger Lampen, wie goldene Schmetterlinge. Mehrere Hindus, die auf den untersten Stufen saßen, spielten auf gewaltigen Instrumenten so wundersam leise, daß gleichsam nur das Flüstern einer ersterbenden Welle über die lauschenden Köpfe dahinwehte, zuweilen flog es vorüber wie Vogelgezwitscher, oder als summten Bienenschwärme. Und noch tiefer, zu Füßen Buddhas, auf einem etwas erhöhten Podium, stand ein Weib in einem weißen griechischen Gewande. Sie war gleichsam in Gebetsekstase versunken und berührte mit den Fingerenden der linken Hand den Kopf einer zusammengekauerten nackten Gestalt, die vor ihr kniete … Zenon blieb an der Tür stehen, denn alle blieben so unbeweglich, schweigend starrten sie vor sich hin und lauschten. Erst als die Musik leiser geworden war und die Lichter in den kristallenen Lotosblumen heller erstrahlten, näherte sich ihm Mr. Smith.

„Es werden heute außergewöhnliche Dinge vor sich gehen!“ flüsterte er und faßte ihn unter den Arm. „Miß Daisy bat, ich sollte Sie zu ihr führen! Das Medium ist heute in ausgezeichneter Verfassung. Gerade versetzt die Blawatska es in Trance. Sie werden sie später persönlich kennen lernen. Das Medium ist aus Tibet. – Nicht wahr, diese Mengen! Und das sind nur die Auserwählten der Auserwählten! Sonst wäre halb London hier! Und alle Schichten

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/266&oldid=- (Version vom 1.8.2018)