zu spät, jemand kam eilig herbei, die Tür ging auf, und Ada stand vor ihm. Sie streckte ihm die Hände entgegen, mit einer heftigen Bewegung der Freude. Er vermochte gleichfalls kein Wort hervorzubringen, nur ihre Hände umschlossen sich, ihre Augen versanken ineinander, sie standen beinahe besinnungslos da, in einer sonderbaren Rührung.
„So kommt doch,“ wurde eine Stimme in der Tiefe der Wohnung laut.
Sie zog ihn weiter, ein Mann kam ihnen, auf einen Stock gestützt, entgegen. Zenon konnte ihn im ersten Augenblicke nicht erkennen. Der Fremde warf sich in Zenons Arme.
„Heinrich!“ rief dieser unangenehm überrascht.
Der andre umarmte ihn noch einmal und flüsterte äußerst herzlich:
„Endlich! Wir haben so gewartet.“
„Seit zwei Tagen zählen wir jede Stunde,“ sagte Ada mit leiser, erstickter Stimme.
Zenon begann sich zu rechtfertigen, doch Heinrich, der seine Hand nicht losließ, zog ihn zu einem Fauteuil und rief freudig:
„Entschuldige dich nicht, jetzt ist ja alles gleich. Du bist bei uns, das übrige lassen wir ruhen. Wie viel Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen?“
„Beinahe zehn,“ flüsterte Ada ganz leise und schloß die Augen.
„Eine furchtbar lange Zeit. Aber ich habe nicht angenommen, daß wir uns in London treffen würden.“
„Ich war sicher, Sie würden in die Heimat zurückkehren.“
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/209&oldid=- (Version vom 1.8.2018)