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„O Licht du, das Habgier in den Abgrund gestürzt.“

„Gefesselte Macht!“

„Barmherzige Macht!“

„Heilige Macht!“

Zenon verstand plötzlich diese wunderliche Litanei, er erinnerte sich ihrer, es war dieselbe Melodie, die er damals auf der Seance gehört hatte, es waren dieselben Worte, deren er sich bisher nicht hatte entsinnen können, – wo und wann hatte er sie gehört?

Die Gesänge verstummten, in der trüben Dunkelheit begann etwas zu geschehen … Zenon konnte die undeutlichen Umrisse nicht unterscheiden … weiße Nebelschatten führten einen Reigen auf … schienen die Statue zu umfließen … zitternde Lichter schimmerten … und ein Schatten neigte sich über die Bahre … deutlich unternahm er das Auftreten unsichtbarer Füße auf dem Kiesboden … ein Flüstern … das Zischen der Flammen … und nicht zu unterscheidende Bewegungen.

Plötzlich erscholl ein langgedehntes klägliches Brüllen.

„Das ist Bagh, Bagh,“ flüsterte Zenon, denn er bemerkte die Umrisse des Panthers, der sich auf die Bahre stürzte.

Die Hülle fiel herab, und eine nackte, hohe Gestalt erhob sich langsam, Zenon erzitterte bis in die tiefsten Tiefen, er hätte in diesem Augenblick sein ganzes Leben hingegeben für die Möglichkeit, ihr Gesicht zu sehen … Er sah nur, wie durch einen dichten Nebel, einen schlanken, nackten Körper, von dem Mantel der in der Ferne rostfarbenen Haare umhüllt, zwischen den Knieen Baphomets stehen.

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/163&oldid=- (Version vom 1.8.2018)