Teller zu und goß ihre Gläser voll, während er halb bewußt darüber nachdachte, worüber er mit ihnen sprechen solle. Die Mädchen ließen hin und wieder ihre verschämten, demütigen Stimmen hören, wobei sie unbewußt englische Worte mit polnischen vermischten, in einem üblen Jargon.
Sie waren beide noch ziemlich jung und hübsch, aber so geschminkt, gepudert und mit falschen Edelsteinen behängt, sie hatten automatische und so gemeine Bewegungen, daß sie den Eindruck von Wachsfiguren in einem schlechten Panoptikum machten. Sie legten ihre Mäntel ab und präsentierten mit einem gewissen unbewußten Stolz ihren lächerlichen Putz; eine von ihnen, die größere, war ziemlich tief dekolletiert. Er zuckte plötzlich zusammen, denn er sah auf ihrem Rücken einen roten Striemen, wie von einer Peitsche.
„Von wo seid ihr?“ fragte er, verstohlen hinschauend.
„Wir sind beide aus Kutno, vielleicht sind Sie dort bekannt?“
„Ja, ich kenne diese Stadt,“ antwortete er und dachte über die merkwürdige Strieme nach.
„Sie kennen Kutno? Rosa, der Herr kennt unsere Heimat,“ rief sie erstaunt.
„Ruhig, Sara, der Herr ist vielleicht der Herr Gutsbesitzer selbst?“ beruhigte die andere sie bedächtig.
„Der Herr ist der Herr Gutsbesitzer selbst, nicht wahr?“
Er nickte bejahend, er verstand ihre Frage aber nicht, denn er konnte seine Augen nicht von dieser
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/127&oldid=- (Version vom 1.8.2018)