Zimmer, es blieb nur noch ein seelenloses Chaos von Schreien, Düften, Tönen einer unsichtbaren Musik, schmerzhaften Geißelhieben und toll unherwirbelnden, bluttriefenden Leibern; eine blinde Raserei, ein furchtbarer Sabbath besessener Seelen, erschüttert von den Schauern des Wahnsinns und des Todes.
Zenon stand am Vorhang, gleichsam in einen quälenden, unwahrscheinlichen Traum versunken; seine Augen irrten umher, er horchte und konnte es noch nicht glauben … Er schloß die Augen, er kniff sich in die Hände, um sich von seinem Zustande zu überzeugen, jedoch diese blutige, rasende Vision wollte nicht verschwinden.
Erst nach dieser Hymne, die mehrere Male erscholl, verstand er, daß das, was vor seinen Augen geschah, die wirklichste Wirklichkeit war.
Er versuchte, jemand zu erkennen, doch man konnte kein einziges Gesicht unter dem Schleier hervorreißen. Nur an den geschmeidigen Formen, der straffen Brust, dem langen Schwanenhalse und an den roten Locken auf ihrem weißen Nacken glaubte er, Miß Daisy zu erkennen.
Er glaubte es nicht, und doch ahnte er, daß sie es war, zuweilen meinte er sogar ihre Stimme unterscheiden zu können, und dann erstarrte er in einem wilden, schon nicht mehr menschlichen Schmerze, es erfaßte ihn eine solche Raserei, daß er zu ihr hinstürzen, sie herausreißen, sie weit forttragen, ihre Wunden küssen und mit heißen Lippen die Ströme von Blut aussaugen wollte, die an ihren Beinen herabflossen.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)