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gedacht, – mag es so bleiben, wie es ist, für die, die es nötig haben. Doch für die anderen muß man ein neues Theater schaffen, – ein Theater, das zugleich ein Tempel ist, der Schönheit geweiht. Einst gab es in fernen Zeiten bei den Urvölkern Feste des Frühlings und des fruchtbringenden Herbstes, zu denen man sich versammelte, um sie feierlich zu begehen; man sollte solche Feste wieder ins Leben zurückrufen … Ich stelle mir einen uralten Wald vor, oder das öde, wilde Ufer eines Meeres, fern von jeder Alltäglichkeit, fern von dem Gedränge und dem lächerlichen Treiben des Lebens, und dort, unter freiem Himmel, in der Frühlingsluft, in den grünen, sangerfüllten Tiefen des Waldes, auf dem Hintergrunde der wiedererwachenden Natur, oder an einem Herbsttage, der von Spinnweben durchwoben, nachdenklich, blaß und heilig wie Hostien ist, an sehnsüchtigen Tagen voll stiller Klage, wenn das rostfarbene Laub fällt, am Ufer des saphirblauen Meeres, das umgürtet ist von der goldenen Morgen- und der blutigen Abendröte, – dort ist der Tempel aller Künste, der Apollinische Altar aller Ekstasen, dort die bis in den Himmel dringende Hymne der Farben und Träume, der Klänge und Formen, der Gebete und Visionen, die Hymne von der Unsterblichen Schönheit trunkener Seelen, die das Herz von allen Sünden, allem Bösen und allem Häßlichen läutert. Ein neues Eleusis für die, welche nach Erschütterungen und Betrachtungen verlangen, eine neue Wiedergeburt der Menschheit, – Jerusalem! Davon träume ich!“ schloß Zenon.

„Das ist wunderbar, außergewöhnlich, doch unmöglich,

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/086&oldid=- (Version vom 1.8.2018)