näher kennen zu lernen. Oft dachte er an sie, und noch öfter – denn schon beinahe unbewußt – suchte er nach einer Gelegenheit, sie zu sehen; doch sie blieb unsichtbar.
Er versuchte, von ihr zu reden, doch auch das gelang ihm nicht: er wußte nicht, mit wem er von ihr reden solle. Yoe war seit jener Seance nicht mehr bei Tische erschienen, und er konnte ihn nie in seiner Wohnung antreffen, und die andern schwiegen, oder, was merkwürdiger war, sie speisten ihn mit halben Worten ab, die nichts sagten … Er erkannte an ihren Gesichtern, daß sie irgendeine Scheu beengte, daß alle während des Gespräches unmerklich, verstohlen zu dem Mahatma hinschauten und bald ängstlich verstummten.
Diese unerwartete Übereinstimmung machte ihn stutzig, doch er konnte sie sich nicht erklären. So vergingen für ihn drei ganze Tage mit Fragen, auf die er keine Antwort erhielt, und irrem Grübeln, – bis es ihn schließlich ermüdete. Er hörte auf, zu fragen, er konnte jedoch nicht aufhören, nachzudenken. Aber im Schatten dieser Gedanken breitete sich langsam die Unruhe aus, wie die Vorahnung kommender, noch unklarer, ferner Dinge, – unbekannter Dinge, die aber schon im Werden waren, in den Tiefen des nahenden ‚morgen‘. Deswegen auch entfachte die unerwartete und so sonderbare Begegnung jene merkwürdige, quälende Sehnsucht.
Nein, das war keine Sehnsucht, die jener glich, welche er nach Betsy empfand, wenn er sie ein paar Tage nicht gesehn hatte, – nicht die Sehnsucht des
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/046&oldid=- (Version vom 1.8.2018)