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als der Seele haben, so nehme ich eine doppelte Sinnlichkeit für beyde an. Diese Sinnlichkeit setze ich als Anlage, den Zustand von Ausgelassenheit des Lebens zu wollen, der Anlage, nach dem bloßen Ruhestande des Lebens zu streben, entgegen. [1]


  1. In dieser Bedeutung nähert sich die Sinnlichkeit zwar dem Instinkt, sondert sich aber dennoch von ihm, als Folge von der Ursach, und als Art von der Gattung ab. Instinkt heißt: 1) Vermögen, etwas wahrzunehmen und zu unterscheiden, ohne sich einer auffallenden Anstrengung des Nachdenkens bewußt zu seyn. Hier heißt Instinkt so viel als das niedrige Erkenntnißvermögen, und wird dem höheren, besonders dem Verstande, entgegen gesetzt. Man verwechselt oft diesen Instinkt mit dem Ausdrucke: Sinnlichkeit, z. B. sinnliche Erkenntniß, etwas versinnlichen u. s. w. Diese Bedeutung ist derjenigen, die ich annehme, und wobey ich bloß auf die Fähigkeit, zu einer gewissen Art von Willensbewegung gereitzt zu werden, Rücksicht nehme, nicht entgegengesetzt. Beyde vertragen sich vielmehr als Ursach und Wirkung neben einander. Denn die Sinnlichkeit, für Anlagen zur instinktartigen Wahrnehmung und Erkenntniß genommen, liegt beynahe immer bey der Sinnlichkeit, für Anlage zur Neigung nach Ausgelassenheit unserer herrschenden Triebe genommen, zum Grunde, und bringt die letzte hervor. 2) Versteht man unter Instinkt die Fähigkeit, zur Lust oder Unlust gereitzt zu werden, und seinen Willen zu bestimmen, ohne vorgängige auffallende Operation des Vergleichens und Beziehens auf einen gewissen Zweck. Hier wird Instinkt für das niedrige Willensvermögen genommen, und dem Vermögen der Vernunft, unsern Willen zu bestimmen, entgegengesetzt. Von dem Instinkte in dieser Bedeutung ist Sinnlichkeit eine Art. Denn jedesmahl, wo wir erst von der Vernunft aufgefordert werden müssen, etwas zu wollen oder nicht zu wollen, da läßt sich keine Wirksamkeit unserer herrschenden Triebe im ausgelassenen Genusse ihrer Begünstigung, [22] mithin auch kein unwillkührlicher und unerzwungener Affekt von Lust denken. Es giebt inzwischen auch eine instinktartige Empfindung eines nothwendigen Ruhestandes des Lebens, von dessen Begünstigung ein instinktartiges Genügen, eine instinktartige Zufriedenheit abhängt, wie wir dieß an Thieren deutlich bemerken. Die Anlage zu diesen Gefühlen nehme ich nicht mit in den Begriff der Sinnlichkeit auf: ich verstehe darunter nur: den instinktartigen Hang nach Ausgelassenheit des Lebens, oder nach ungewöhnlicher Begünstigung unserer herrschenden Triebe.