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Wollust bezeichnet dann genauer den unerzwungenen und dennoch unwillkührlichen Affekt von Lust, welcher die ungewöhnliche Begünstigung der herrschenden Triebe unsers Körpers mit sich führt.

Wonne nenne ich die Lust der nehmlichen Art, welche die ungewöhnliche Begünstigung der herrschenden Triebe der Seele erweckt.

Wollüstig ergetzt sich das Kind an dem Strahle des Sterns, und an den bunten Farben des Schmetterlings. Wollüstig schlürft der Jüngling den kostbaren Nektar aus Hebe’s Becher, oder den Kuß von ihren Lippen, mit halbgeöffnetem Munde und gebrochenem Auge ein. Mit Wonne wühlt der Reiche in den Mitteln seines Ueberflusses; mit Wonne genießt der Liebhaber des Schönen den Anblick eines Meisterstücks der Kunst; mit Wonne verliert sich der Schüler des Plato im Anschauen der Vollkommenheit und ewiger Harmonie; mit Wonne überläßt sich der Freund, der Gatte, dem Gefühl der Vereinigung mit der Hälfte seines Wesens; und Alles dieß – ist im Zustande des Liebens!


mithin auch kein unwillkührlicher und unerzwungener Affekt von Lust denken. Es giebt inzwischen auch eine instinktartige Empfindung eines nothwendigen Ruhestandes des Lebens, von dessen Begünstigung ein instinktartiges Genügen, eine instinktartige Zufriedenheit abhängt, wie wir dieß an Thieren deutlich bemerken. Die Anlage zu diesen Gefühlen nehme ich nicht mit in den Begriff der Sinnlichkeit auf: ich verstehe darunter nur: den instinktartigen Hang nach Ausgelassenheit des Lebens, oder nach ungewöhnlicher Begünstigung unserer herrschenden Triebe.