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Widerstand gegen die Obrigkeit‘ (der Grundherr war, glaub’ ich, in Begleitung des Dorfältesten) zu einigen Jahren Gefängniß verurtheilte. Gott weiß wofür!… Jetzt hat der arme Josef ein junges Weib und ein Kind zurückgelassen, die Wirthschaft geräth in Unordnung, und mit ihm selbst wird es wohl auch nichts mehr, nachdem er einmal im Gefängniß gesessen…. Ein verpfuschter Mensch…. Das ist nun mal schon so…. Um eines Fuders Holz willen ist da ein Mensch verloren gegangen!… Die Baidischs natürlich schimpfen fürchterlich über den Grundherrn, daß er sie so ins Unglück gebracht hat – die ganze Familie geschändet – früher galten sie alle für ehrlich und brav!… Wie sie dem Grundherrn fluchen!… Nun, Gott verzeihe es seiner Seele! Er hat es gesühnt…. So einen Tod zu sterben: ohne das Sakrament, von Verbrecherhand! …“

Der Vater sprach noch weiter, nachdenklich mit dem Haupte schüttelnd, während bei mir gleichsam etwas in der Brust zusammenzuckte und das Blut jäh emporschoß… . Ganz heiß wurde es mir!… Die Baidischs … der Grundherr … eine „Kollision“ des Grundherrn mit dieser Familie, das „Einstecken“ des ältesten Sohnes, die Wuth der übrigen Familie…. Das alles irrte anfangs in abgerissenen Gedanken in meinem Kopfe herum, bis allmälig diese einzelnen Verdachtssplitter sich in einem mehr oder weniger symmetrischen Plane zu gruppiren begannen.

Gewiß! dachte ich, warum sollte die Begierde nach Rache die Baidischs nicht bis … bis zur Ermordung des Grundherrn, den sie für ihren schlimmsten Feind hielten, geführt haben? …

Diese Vermuthung wurde durch einen Umstand, den ich früher unbeachtet gelassen hatte, verstärkt. Ich weiß nicht, warum gerade in dem Augenblick, als mein Vater von den Baidischs und ihrer gerichtlichen Verfolgung von Seiten des Gutsherrn sprach, in meiner Phantasie die Szene hinter der Scheune der Baidischs, wie der Alte mit seinem Sohne geheimnißvoll tuschelte und wie sie dann beide durch mein Erscheinen verlegen gemacht wurden, erstand. Jetzt erschien es mir fast unbegreiflich, wie mir das alles nicht gleich verdächtig erschien!? Wie war es möglich, daß ich nicht gleich bemerkte, daß es kein gewöhnliches Familiengespräch, sondern eine richtige „konspirative“ Tuschelei war! Natürlich, die Baidischs müssen sich jetzt besonders häufig und besonders vorsichtig miteinander zu berathen haben… . Natürlich! Die Untersuchung ist jetzt gerade in vollem Gange…. Noch heute hatte der Untersuchungsrichter ein erneutes Verhör veranstaltet…. Die Baidischs hören und wissen davon selbstverständlich… wie sollen sie sich denn da nicht in der Stille zu berathen haben!

Ich sagte meinem Vater nichts von meinem furchtbaren Verdacht und fragte ihn nur noch einmal ordentlich nach dem Prozeß aus, ob der junge Baidisch schon lange im Gefängniß sitze u. s. w. Der Vater antwortete mir, erzählte alles, was er wußte, ohne auch nur zu ahnen, wozu ich das alles brauchte. Dann legte er sich, von den Tagessorgen ermüdet, zur Ruhe, während ich – ich konnte an den Schlaf natürlich nicht denken, obgleich auch ich von dem Herumstreifen im Walde so ziemlich müde war. Erregt und unruhig ging ich im Zimmer auf und ab und – dachte! Ab und zu setzte ich mich nieder aufs Bett, lehnte mein erhitztes Haupt ans Kissen und sprang dann wieder auf und begann von Neuem im Zimmer auf und ab zu laufen.

(Schluß folgt.)     
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Olena Ptschilka: Mein erster Erfolg. Johann Heinrich Wilhelm Dietz, Stuttgart 1898, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PtschilkaMeinErsterErfolg.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)