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durch ein reiches Haarwurzelvermögen auszeichnet; in neuester Zeit aber hat man unerbittlich den Stab über ihn gebrochen und doch haben wir wenn wir[WS 1] eine mäßig wachsende und gleichförmig sich bildende, nachhaltig fruchtbare Pyramide oder Spaliere erziehen wollen, noch keinen Ersatz für diese Unterlage, der ebenbürtig wäre. Weil ein paar Führer das „kreuzige, kreuzige“ über die Quitten-Unterlagen gerufen, so hat alles Volk alsbald nachgeschrieen. Es ist wahr, die Quitte will nicht in jedem Boden fortkommen; sie ist empfindlich gegen Kälte, eigensinnig hinsichtlich der Veredlungsarten, manche Sorten wollen nicht auf ihr gedeihen und verändern sogar geradezu ihre Eigenschaften u. s. w. das sind freilich schlimme Dinge; aber man darf nicht übersehen, daß auf der andern Seite die Quitte in manchem Boden sehr gut fortkommt, besonders wenn er nicht zu hitziger Natur ist und keine Grundwasser hat; wenn die Veredlungsstelle etwa 2–4″ über der Erde sich befindet und Winters angehäufelt und bedeckt wird, so erfriert der Stamm auch bei hohen Kältegraden nicht, manche Sorten z. B. Beurré blanc und Beurré Diel gedeihen vorzüglich auf dieser Unterlage; die Früchte werden ansehnlicher, und solche Sorten, welche auf der Quitte nicht angehen wollen, können doch auf ihr angebracht werden, wenn zuvor eine Sorte aufgesetzt wurde, welche der Unterlage homogener ist; darum sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und die Quitte als Birnunterlage nicht ganz beseitigen wollen; vielmehr sich Mühe geben über ihre üblen Eigenschaften Herr zu werden. In angemessenerem Boden wird die Quitte durch frühzeitige Fruchtbarkeit und schönen Wuchs der Pyramide, immer vor allen anderen Unterlagen den Vorzug verdienen; hat man es doch in Amerika und England in neuester Zeit so weit getrieben, Hochstämme, welche man an der Veredlungsstelle selbstständig Wurzeln bilden läßt, sehr häufig auf Quittenunterlagen zu erziehen. Vielfach ist mir, namentlich von dem erfahrenen Garteninspektor Mezger in Heidelberg, als Unterlage für Birnpyramiden die Pyrus salicifolia empfohlen worden, und ich habe auch von ihm eine Anzahl Exemplare erhalten; da sie aber zu schwach in meinem schweren Lehmboden trieben, sie nicht beibehalten können.[1] Die andern Surrogate, wie Weißdorn etc. sind der Erwähnung nicht werth. Es lassen sich nun allerdings auch die Birnwildlinge (Pyrus communis) zu Unterlagen schöner Pyramiden benützen und zu einem frühen und reicheren Tragen, ja selbst zur Vergrößerung ihrer Früchte eben so durch die Kunst zwingen, wie Pyramiden und Spaliere auf Quittenunterlagen, wiewohl dazu ein ganzer Meister gehört. Das Einbiegen der Zweige ist bei den Birnen auf Wildlingen von ganz günstiger Wirkung. Man setze nur alle Mittel in Bewegung, die dem Baum nicht schaden und die Fruchtbarkeit nicht auf Kosten des Lebens eines Individuum fördern, von welchen schon oben die Rede war; nur einem der neuerdings von mancher Seite gepriesenen Mittel, des Abstoßens der Wurzeln, kann ich das Wort nicht reden und mich nicht entschließen bei den Birnspalieren auf Wildlingen diese gewaltsame Procedur in größerer Ausdehnung vorzunehmen, als zur Prüfung nöthig ist. Schon bei der Auswahl die Sämlinge zu

kräftigen Unterlagen, sieht jeder rationelle


  1. Eine Gaishirtlebirn die auf P. salicifolia gepfropft wurde, veränderte sich in Form und Geschmack so, daß sie beinahe unkenntlich wurde.
    Ls.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: mir
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_379.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)