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zu können, in niedern Formen weit sicherer erreicht wird, da hier alle künstlichen Mittel den Früchteansatz zu bewirken in Anwendung gebracht werden, als da sind, das Beschneiden und Verzwicken im Frühjahr, das Brechen und Einkneipen der jungen Triebe im August, das Biegen der Zweige, Ringeln, das Zurückscheiden bis in die Ringelwulste u. s. w. Noch kräftiger als durch Ringeln kann man mittelst des Drahtes an den Etiquetten auf Fruchtbarkeit einwirken, wenn nämlich der Draht so stark angezogen wird, daß die Säftebewegung gehemmt wird; es ist dieses von sehr großem Erfolg, erfordert aber freilich ein fleißiges Nachsehen, (was bei Hochstämmen erschwert ist,) ob der Draht nicht bei der Ausdehnung der Zweige zu tief einschneide, wodurch ein Abbrechen des nach außen stehenden Theiles herbeigeführt werden kann. Kernobstsorten geben oft schon im zweiten Jahre Früchte, wenn man im Besitze ist von Spalieren oder Pyramiden, auf Wildlinge veredelt, welche um sie wieder zur Fruchtbarkeit zu reizen, ein paar Jahre sich selbst überlassen wurden, so daß man die Holzzweige nicht beschnitt, sondern nur das störende und überflüssige Holz hinwegnahm. Werden solche Zwergbäume nun zu Probebäumen verwendet, so kommt man am schnellsten zu Früchten, wenn man nur einen Theil ihrer Aeste mit Probesorten veredelt.

Bei Steinobst hat nun freilich die Erziehung von passenden Unterlagen in Zwergform ihre Schwierigkeiten, die Prunus domestica will sich nicht recht in den Schnitt einer Pyramide fügen, weil die Augen sich nicht gerne bequemen wollen, regelmäßig hervorzubrechen und ich finde, daß hiezu der Stamm der kleinen gelben Mirabelle und der Reineclauden sich besser schicke; doch wenn man nicht gerade darauf versessen ist, eine ganz regelmäßige Pyramide zu besitzen so läßt sich die Prunus domestica immerhin gebrauchen. Für Steinobst ziehe ich Halb-Hochstämme, in der Höhe von 4–5′ bis zur Krone, den Pyramiden vor, da sich jene leichter erziehen lassen und das Beschneiden etc. nicht erschwert ist; nur darf man natürlich bei Steinobst das dem Harzfluß unterworfen ist, weder ringeln noch den Draht anziehen. Noch schwerer läßt sich die Prunus Avium für Süßkirschen zu einer hübschen Pyramide erziehen, da besonders in gutem Grunde der Trieb zu stark ist. Man kommt nun zwar bei der Mahalebkirsche schneller zu schönen Pyramiden als bei Prunus avium; allein obwohl ich nicht die Erfahrung gemacht habe, daß aus Mahaleb-Unterlagen Weichseln und Amarellen nicht angehen, sondern Kirschen aller Art leicht darauf zu erziehen sind, wenn man nur die Veredlung mit frühe gebrochenen Edelzweigen und erst Ausgangs April vornimmt (denn wenn nach der Frühveredlung Anfangs März noch ein Frost kommt, so ist alle Mühe umsonst) so rathe ich doch nicht auf Mahaleb zu veredeln, weil nach meiner Erfahrung manche Sorten fast gar keine Früchte auf dieser Unterlage ansetzen wollen. Ob die in den Frauendorfer Blättern gerühmte Erfahrung sich bestätigt, daß wenn man am Edelreise der Kirsche das oberste Auge des Zweiges stehen lasse, den Zweig also nicht beschneide, derselbe jeder Kälte widerstehe, habe ich noch nicht erprobt, aber ich habe Gründe daran zu zweifeln.

Für Sauerkirschen und Süßweichseln lassen sich aus der wildwachsenden Amarelle sehr hübsche Pyramiden bilden wenn man eine stark treibende Sorte zuerst aufpfropft, wie z. B. die Kirchheimer Weichsel und diese sodann als Pyramide bis zu der Größe erzieht daß sie eine große Anzahl Sorten aufnehmen

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_375.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)