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zum Zwecke des Genusses oder des Verkaufens, der sollte seine Sorten-Bäume alle in einer niedern Form erziehen; denn nicht nur kostet die Veredlung von Hochstämmen weit mehr Mühe und ist mit weit größeren Schwierigkeiten verknüpft, als die Veredlung von Spalieren und Pyramiden oder Kunkelbäumen; sondern es entwickeln sich auch die Früchte auf letzteren üppiger und in größerer Fülle, Güte und Schönheit, da hier die Kunst das ihrige mehr dazu beitragen kann, Blüthen, Früchteansatz und Wachsthum zu befördern.

Reflektirt aber Jemand auf Wirthschaftsobst, welches dem Hochstamme angehört, so bediene er sich auch eines solchen zur Unterlage. Wenn das Wirthschaftsobst nicht ohne künstliche Nachhülfe reiche Erndten gewährt, wenn es in der Blüthe ungünstiger Witterung nicht widersteht, nicht mit einem minder günstigen Standpunkt vorlieb nimmt, wenn es durch Schönheit die Begierde reizt, wenn die Sorte nur unter günstigen Bodenbedingnissen gedeiht, zu früh oder zu spät reift u. s. w.; so sind das lauter Eigenschaften, die, ehe man sich zur Anpflanzung von Wirthschaftsobst in größerem Umfange entschließt, neben etwaigen anderen Eigenschaften wohl erwogen werden müssen. Diese Eigenthümlichkeiten können nur dann recht erkannt werden, wenn der Probefrucht derjenige Standpunkt angewiesen wurde, welchen sie naturgemäß später in der Obstpflanzung einnehmen soll. Man wird mir freilich einwenden, man müßte die Probebäume in allen Lagen haben, mit nassem und trockenem Grunde, leichtem und schwerem Boden, offener und geschlossener Lage, gedüngt und ungedüngt, denn alle diese Dinge modificiren die Tragbarkeit des Baumes etc. Wenn man recht rationell und genau zu Werke gehen will, so sollte man freilich allen diesen Rücksichten Rechnung tragen können, und wer den Beruf hat, von Amtswegen der Obstcultur seine Thätigkeit zu widmen oder im Interesse der Nationalökonomie seine Beobachtungen anzustellen; oder wer den individuellen Beruf erkennt, auf diesem Felde einem größeren Kreise nützlich zu werden, der wird in seinen Rahmen allerdings alle jene Einzelnheiten aufnehmen müssen; in der Regel aber werden die Pomologen sich in einem engern Kreise bewegen und zunächst sich nur darum kümmern, was für ihr Klima, ihre Bodenverhältnisse, ihre Lage, ihren Boden und Gedeihen verspricht; und dieses zu erproben, dazu bieten Bäume am Orte der Obstpflanzung die beste Gelegenheit. Während die Hochstämme für Wirthschaftsobst (bei Pflaumen wähle man Hochstämme von Prunus domestica nicht über 12–15 Jahre alt, bei Süßkirschen Prunus Avium, bei Sauerkirschen und Weichseln die wildwachsenden Weichselbäume,) zu Probebäumen den Vorzug verdienen, verhält es sich anders beim Tafelobst; für dieses sind Probebäume in niederen Formen erzogen, vorzuziehen und zwar aus Unterlagen, bei welchen die Früchte so normal als möglich bleiben, wozu bei Kernobst Apfel- und Birnwildlinge, für Pflaumen und Kirschen die schon genannten Grundstämme am meisten zu empfehlen sind. Probebäume von Weinreben, Pfirschen, Aprikosen werden auch bei einer gewandten Hand selten ersprießliche Resultate gewähren, wenigstens sind mir noch keine gelungenen Probebäume jener Arten zu Gesicht gekommen. Ich empfehle aber nicht allein deßhalb die Erziehung der Probebäume zu Tafelobst in Zwergformen, weil die Anfertigung solcher Bäume weit leichter auszuführen ist, als das Umpfropfen von Hochstämmen; sondern weil ein Hauptmoment, nämlich nach wenigen Jahren Früchte zu erlangen und sie erproben

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_374.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)