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den statuirten Einfluß des Wildlings eines veredelten Stammes auf dessen Früchte und Kerne, den Einfluß des Bodens, in welchen man die Kerne zuerst legt, auf die künftige Beschaffenheit der Früchte etc. zu erforschen; – praktisch bleiben sie nur noch von Gewicht, um manche Lücken in der Reihenfolge gewisser Früchte auszufüllen, und uns namentlich vielleicht noch bessere sehr früh reifende und spät im Nachwinter zeitigende Birnen zu verschaffen, als wir jetzt haben, wobei es indeß für unser Vaterland wahrscheinlich nicht gelingen würde, solchen Früchten gleich köstliches Gewürz und Süßigkeit im Geschmack zu verleihen, als aus südlicheren Gegenden stammende Früchte haben, da meistens schon die belgischen Früchte darin den älteren, mehr südlichen Ursprung habenden Sorten etwas

nachstehen, wenn auch ihr Fleisch schmelzender


    wohl von Aepfeln als Birnen auch eine oder selbst mehrere edlere Stammarten gegeben habe, und unser Mostobst wohl durch Kreuzung von Früchten der edleren Race mit Holzapfel und Holzbirn entstanden sey. Man hat als Grund für diese Annahme angeführt, daß Holzbirn, sowie Holzapfel und Johannisstamm sich constant aus ihren Früchten reproducirten, und wir deßhalb von beiden letzteren auch noch gar keine Mittelformen im Baumwuchse fänden. Van Mons will den Holzapfel und die Holzbirn durch vier Generationen hindurch constant und ohne eingetretene Abänderung aus Samen forterzeugt haben, und behauptet Wildenow auch vom Johannisstamm, daß er aus Samen sich constant reproducire, so wie Schreiber dasselbe vom Holzapfel schon vor fünfzig Jahren behauptete. Allein, wie es eines Theils noch kein Beweis für die Nichtabstammung unserer edleren Aepfel von dem Holzapfel ist, daß dieser selbst in vierter Generation noch keine Neigung zur Abänderung zeigte (die erste Abänderung konnte erst später, oder in einem südlicheren Klima erfolgt seyn), so will Hr. van Mons ebensowohl die Rothe wilde Süßkirsche durch mehrere Generationen ohne Abänderung erzogen haben, während es doch zu augenfällig ist, daß unsere Süßkirschen sämmtlich durch Kultur aus der wilden rothen und schwarzen Vogelkirsche entstanden sind, und man auch an andern Orten wenigstens Vergrößerung dieser Früchte durch Kultur bereits bemerkt hat. Daß zwischen dem größeren Apfelbaume und dem Johannisstamme die Mittelformen noch fehlen, mag nicht urgirt werden, da theils doch höchst wahrscheinlich der Doucain eine solche ist, theils wir den Johannisstamm fast nie zur Blüthe und Frucht kommen lassen, und aus den Kernen ihn nicht erziehen. Ich habe dieß in Nienburg einmal versucht, und erhielt sofort, ohne künstliche Befruchtung, Bäumchen, die weit triebiger waren, als der Johannisstamm und nach zehn Jahren noch keine Neigung zeigten, Wurzelsprossen zu machen. Einer davon steht noch im Pfarrgarten zu Nienburg, überpfropft mit der Wilkenburger weißen Sommerreinette. Daß alle unsere Kernfrüchte vom Holzapfel und Pyraster abstammen können, scheint mir nicht wohl in Abrede gestellt werden zu können, da wir theils zwischen beiden nicht einmal irgend bestimmte botanische Unterschiede angeben können, theils die Verschiedenheit zwischen unsern edleren Obsten und dem Holzapfel und Holzbirne nicht größer seyn kann, als solche unter Thieren und manchen Blumen erfahrungsmäßig durch den Einfluß der Cultur und eines fremden Klimas entstanden ist, (Hunderacen, angorische Ziegen, Schafe mit Fettschwänzen, Georginen, Tulpen etc., etc.) Selbst der blose Einfluß des gebauten Bodens wirkt nicht selten auf ein wild wachsendes Gewächs, wenn es aus der Wildniß in diesen verpflanzt wird, so abändernd, daß man es kaum wieder erkennt. Als ich noch Schüler war, lachte mich, an einem schönen Abend unter Büschen sitzend, einmal unweit Hannover eine kleine Heidenelke (Dianth. vulgaris) so freundlich an, daß ich sie mit dem Messer ausgrub und auf die gut gedüngten Rabatten in meines Vaters Garten pflanzte. Ein paar Jahre später kam ich als Student gerade einmal zurück, als das Blümchen blühete, das ich bereits wieder vergessen hatte und nicht kannte, und erhielt auf meine Frage, was das für eine hübsche Blume sey, und woher sie stamme, die Antwort, daß das meine Heidenelke sey, die ich selbst dahin gepflanzt habe. Sie hatte an Größe und Schönheit, auch Zahl der Blumen, für den Unkundigen bis zum Unkenntlichen zugenommen.

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_371.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)