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bestimmte und gerade erwünschte, oder zu irgend einem Zwecke passende Sorten erhalten kann.

Wie wenig darauf gerechnet werden könne, durch bloße Sämlingszuchten auch nur lauter gutes Obst zu erlangen, ist gewiß zur Genüge dargethan; und fiele auch nur der dritte Theil dabei mittelmäßig oder schlecht aus, und die übrigen wären gut, was wohl nie zu erwarten steht, so würden wir doch besser thun, lauter veredelte Stämme anzupflanzen, und Mühe und selbst Kosten nicht zu scheuen. Aber selbst einmal angenommen, es gelänge mit der Zeit noch, gelänge sogar mehr im Großen (was wegen der obgedachten Schwierigkeiten und bei der nie zu vermeidenden Bestäubung durch in der Nähe befindliches schlechtes Obst, nie möglich seyn wird), durch die Sämlingszuchten lauter gutes, wirklich schätzbares Obst zu erhalten, so wird und muß doch die Anzucht veredelter Stämme immer einen entschiedenen Vorzug behalten, so lange es uns nicht gelingt, durch die Kernsaaten mit Sicherheit Früchte zu erlangen, die der Mutterfrucht ganz gleich sind.

Es sind sehr vage und einzelne Erfahrungen, die Einige für den Satz beigebracht haben, daß Gleiches auch unter den Obstbäumen Gleiches hervorbringe. Hat man die Kerne nicht mit genauer Bezeichnung der Sorten, wovon man sie nahm, gepflanzt,

so kann das nichts beweisen, daß Früchte


    vom Wildlinge daß die beiden Schnitte einen rechten oder selbst etwas stumpfen Winkel bildeten, und nur noch Rinde auf Rinde an einer Seite festsaß, wobei sich aber auf dieser Seite bald viel Holz in dem entstandenen Winkel bildete. Ebenso fand ich einmal 1824 an einem wegen Frostschaden abgesägten dicken Aste eines Apfelbaumes, gerade auf der scharfen Kante der Rinde ein sich bildendes Auge und trennte es mit einem Stück der umher befindlichen Rinde, durch einen eingetriebenen Keil etwas vom Holze, worauf es doch austrieb und im Laufe des Sommers 1 Fuß hoch wurde. Vor 20 Jahren habe ich an Zweigen stark wachsender Lindenbüsche öfter den Versuch gemacht, an einem durch angebundene Stöcke gegen Abbrechen geschützten Zweige 1½ Zoll lang alles Holz so wegzuschneiden, daß über einem an der entgegengesetzten Seite stehen gelassenen etwa ½ Zoll breiten Streifen Rinde nur eine so dünne, durchsichtige Lamelle Splint noch blieb, daß ich glaubte, dieser werde in wenigen Tagen ganz vertrocknen, und dann nur dazu dienen, den unter der Rinde befindlichen Saft etwas zu schützen, und die noch junge Rinde selbst vor dem Ausdorren zu bewahren; aber die Rinde bildete zu beiden Seiten einen Wulst und der Zweig stellte seine Verbindung mit der Wurzel völlig wieder her. Schnitt ich dagegen 2–3 Zoll dicke Aeste von Linden oder Zitterpappeln bis zur Hälfte des Holzes ein, so lebten sie zwar noch mehrere Monate, starben aber dann ab. – Am auffallendsten habe ich die Erscheinung, daß bloße Rinde auch Holz bilden kann, in Nienburg an einem etwa 6 Zoll im Durchmesser haltenden Kirschbaume bemerkt, als nach späterem Froste im März, die Rinde an mehreren Stämmen arg beschädigt war und aufsprang. Ich bemerkte den Schaden an einem der Bäume erst, als er nur kümmerlich ausschlug, und wollte die getödtete Rinde bis auf gesunde wegschneiden; aber nach der Operation hatte der Baum nur an einer Seite noch einen 2 Zoll breiten Streifen grüner Rinde und auch diese war auf 6–8 Zoll Länge so völlig vom Holze des Stammes getrennt, daß man einen starken Strohhalm hindurch stecken konnte. Ich ließ aus Neugier den Baum stehen, und um Johannis fing das Stück Borke wirklich an, auf seiner untern Seite sich zu verdicken, setzte Holz an, das im nächsten Jahre das Holz des Stammes erreichte, worauf die Rinde sich bald sehr verbreiterte und, während das Holz des alten Stammes abgestorben war, der Baum neuen Trieb begann. Noch will ich hier anmerken, daß, wenn die Kreisnarbe die Früchte vergrößert, was nur durch Emporhalten des Edelsaftes geschehen kann, dieß der beste Beweis ist, daß die Pfropfstelle den Säftegang nicht hemmt, da die Veredlung die Früchte sonst gleichfalls vergrößern müßte, was gegen alle Erfahrung ist.

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_368.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)