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Ertrag von Früchten zu erschöpfen, vielmehr besonders dem zur Samenzucht bestimmten Zweige nur wenige Früchte lassen dürfe, damit diese und ihre Samen desto vollkommener auswüchsen; daß das Holz des vorhergehenden Jahres vollkommen (nöthigenfalls selbst durch künstliche Wärme), zeitig im Herbste gereift seyn müsse, auch die erzielte Frucht recht ausreifen müsse, und daß, wenn man eine Frühreife der Frucht der neuen Samenpflanze verlange, die Frucht, welche diesen Samen liefern soll, ihre Zeitigung in einer möglichst kurzen Periode erlangen müsse, ohne daß sie von ihrer Größe und ihrem Wohlgeschmacke etwas einbüße; wie er außerdem, um eine recht kräftige Nachkommenschaft anzuziehen, anräth, die schönsten, dicksten Kerne auszuwählen (von Pfirsichsteinen mit 2 Kernen sah er z. B. schlechte Früchte fallen), und sich der Kreuzung in einer Weise zu bedienen, daß väterliches und mütterliches Individuum nicht in zu enger Verwandtschaft mit einander ständen.

Aber gesetzt, wir kämen durch diese und ähnliche Mittel und angewandten noch größeren Fleiß, auch planmäßigeres Vorschreiten zuletzt noch zu weit glücklicheren Resultaten, als bis jetzt erzielt sind, sieht nicht Jeder ein, daß alle diese Mittel zur Erzielung eines bessern Samens bei den Obstbäumen zu wenig in unserer gehörigen Gewalt sind, zu kostspielig sein und zu vielen Zeitaufwand etc. erfordern würden, um sie jemals für die Obstbaumzucht im Größeren anwenden und auch nur den fünfzigsten Theil der jährlich erforderlichen Stämme dadurch gewinnen zu können? Und dann! sollte man nicht glauben, daß, wenn die bei unseren Kornarten und Gemüsen erfolgreichen Proceduren, wodurch wir veredelte Spielarten erlangt haben und diese auf der erreichten Culturstufe erhalten, in vollem Maße auch auf unsere Obstfrüchte anwendbar wären, wir wenigstens, bei so gewonnenen Samen, daß er nicht durch in der Nähe befindliche schlechte Varietäten verdorben werden konnte, sondern aus Pflanzungen von lauter edlem Obste entnommen wurde, längst so weit gelangt seyn müßten, daß mindestens die erzogenen Sämlinge keine schlechten Früchte mehr lieferten, wie doch noch so häufig vorkommt? Wird Willdenow’s[WS 1] Eingangs gedachter Grundsatz nicht ganz richtig seyn, daß, während manche unserer Culturgewächse eine Geneigtheit zeigen, auf der ihnen verschafften Culturstufe, bei fortgesetzter gehöriger Pflege, ohne merkliche Abänderungen stehen zu bleiben, die Natur dagegen in andere, und so namentlich in unsere Obstsrüchte ein Bestreben oder Geneigtheit zur Abänderung und zum häufigen Zurückschlagen durch Samen in die Urform hineingelegt habe? Hat eine Pflanze, sagt auch Lindley (S. 362), das Bestreben, von ihrer ursprünglichen Beschaffenheit abzuweichen, so hat sie dessen noch weit mehr, zu ihrem wilden Zustande zurückzukehren, und so sehen wir ja gleiche Erscheinungen, als bei unsern Obstfrüchten, auch bei manchen Blumen, während es wieder (Lindley, S. 391, Note) andere schön gefüllte Blumen gibt, die durch alle schlechte Cultur nicht dahin zu bringen waren, wieder einfach zu werden, und also mit unsern Kornarten und Gemüse das Beständigbleiben der gewonnenen Abänderung theilten. Bisher ist es bei dem sorgfältigsten Verfahren und durch allerlei versuchte Mittel, noch nie gelungen, unsere Levkojen dahin zu bringen, daß wir aus Samen lauter gefüllte Stöcke erhielten, und durch geringe Verschlechterungen oder Mißgriffe in der Cultur der Samenpflanzen kommt es oft dahin, daß die Mehrzahl der

Sämlinge wieder in’s Einfache schlägt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Carl Ludwig Willdenow (1765–1812) deutscher Botaniker.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_365.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)