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wird selten hier per Simri 1 fl. bezahlt; ja, während ich dieses schreibe, Anfang Februar 1855, kaufte man noch 1 Apfel für 1 kr., und doch war unser Obstertrag im vorigen Jahre = 0.[1]

Wenn durch Zufälle in kürzerer Entfernung bisweilen das Obst ganz fehlt, so übt die Ausfuhr als Mostobst einen merklichen Einfluß auf den Preis, doch habe ich diese Schwankungen beim Tafelobst nie bemerkt; 1851 hatte ein Theil des württembergischen Oberlandes kein Obst, und es wurde bei uns viel aufgekauft, weßhalb der höhere Preis, doch ist daselbst unser Obst nicht beliebt, es wird durch den Transport einestheils zu theuer, anderntheils ist man dort die herberen, selbst saueren Sorten gewöhnt, die ertragen, ja erheischen, um nur genießbar zu werden, beim Mosten einen Zusatz von Wasser – während man bei uns 30 Simri zu 1 Eimer braucht, macht man dort mit 20 Simri und Wasser auch 1 Eimer,[2] was aber auch wieder damit entschuldigt werden kann, weil Die, welche den Most trinken, eben ihr gehöriges Quantum, ihren „Gesatz“ wollen, und 3 Schoppen guter ist ihnen nicht so lieb, als 4 Schoppen geringer.

Es wird nach Obigem nicht schwer, einzusehen, daß der Weiße Wintercalvill, der Borsdorfer, die Weiße Herbstbutterbirn am wenigsten, der Luiken und die Welsche Bratbirn (Cyderbirn) am meisten Simri geben. Beobachtet man ferner, daß für den Luiken nur 1/5, ja 1/6 weniger bezahlt wird, als für alle – den Borsdorfer und die Mönchsbirn ausgenommen – die feineren Tafelsorten, ja die Mostbirnen oft den Preis der Tafelsorten erreichen, ja sogar wie die Champagner Bratbirn noch höher sich stellen, so ist klar, daß unter diesen Verhältnissen die feineren Sorten, die, sollen sie werthvoll werden, nicht einmal so viele Früchte auf einem Baum behalten dürften, vollends gar nicht concurriren können.

Unser Obst wird zum kleinsten Theil nur frisch zum Essen, bei Weitem das Meiste zu Most verwendet, letzterer ist des großen Weinbaues unserer Gegend ungeachtet unumgänglich nöthig, da unsere Feldarbeiter ohne Trinken nicht leben können, Bier aber nicht in’s Feld nehmen wollen, und, sowie sie es genießen, auch nicht können, so muß, wenn der Wein im Herbste gut bezahlt wird, oder wenn der Wein fehlt, ja sogar, wenn derselbe zu geringe Qualität erreicht, das Obst den Trunk geben, selbst in letzterem Falle durch Vermischen des Weines Säure und Herbigkeit mildern. Aus diesem Grunde hängt der Preis des Obstes nicht selten in den Weingegenden von dem des Weines ab. Auch ist es Thatsache, daß da, wo das Mosttrinken recht zu Hause ist, die Aepfel frisch oder gekocht nicht mehr den Männern munden; sie werden meist von Frauen und Kindern gegessen; erstere lieben nun gerade die gewürzreicheren Sorten nicht vorzugsweise,

und letztern lacht der rothgestreifte Luike


  1. In Hohenheim, wo der Obstertrag, auf den Bäumen stehend, meistbietend verkauft wird, stellte sich, mit Zugrundelegung der genauen Schätzung, 1854 der Durchschnittspreis des Obstes – meistens Mostbirnen – auf 1 fl. 22 kr.; sonst wurde meistens 1 fl à Simri bezahlt.
    Lucas.
  2. Hier auf den Fildern, bei Hohenheim, einer der Gegenden des Landes, wo die Mostbereitung am verbreitetsten ist, wird meistens etwas Wasser bei der Bereitung des Obstmostes zugesetzt, besonders bei vorherrschend süßen Früchten; im vorigen Jahre wurden sogar sehr viele Eimer Most bereitet, zu denen jedem kaum 16 Simri Obst genommen wurden, und der Most wurde auch recht ordentlich und trinkbar.
    Lucas.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_339.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)