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Erfahrungen werden meistens 11–14 Jahre hingehen, ehe ein Sämling die ersten Früchte liefert, und wie dem sey, so hat man bei veredelten Stämmen es wenigstens mehr in seiner Gewalt, solche Sorten zu wählen, die früh tragbar werden, während man bei dem Sämlinge erst abwarten muß, ob seine Natur eine frühe Fruchtbarkeit mit sich bringen werde. Auch würde man ohne Veredlung manche treffliche Frucht, die keine, oder nur unvollkommene Kerne hat, was gar nicht selten und namentlich bei köstlichen Birnen vorkommt, gar nicht fortpflanzen können. Aber wir wollen nur die zwei Hauptvortheile beachten, die die Anzucht veredelter Obstbäume gewährt, sie sind:

1) Daß man nur durch sie beständig gute Früchte erhält, während Sämlinge allzuviel Mittelgut und selbst schlechtes Obst liefern, und

2) daß man durch sie allein bestimmte, uns gerade erwünschte, oder zu irgend einem Zwecke vorzüglich passende Sorten erhalten kann. Beide Vortheile sind sehr bedeutend.

(Schluß folgt.)



Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen, nebst Excursionen in andere Gebiete der Pomologie, welche damit zusammenhängen.
Mitgetheilt von K. Hörlin in Sindringen.
Mit einer Abbildung.

Als ich vor etwa 20 Jahren den Garten eines Collegen besuchte, der sich viele Verdienste um den Obstbau bei uns erworben hatte und dort einige Apfelpyramiden bewunderte, welche durch reichen Knospenansatz sich auszeichneten, fand ich bei näherer Untersuchung, daß sämmtliche Aeste seit ein paar Jahren neu veredelt waren. Die Mittheilung, daß dieser Obstfreund mehrere hundert Sorten auf diesen Probebäumen, ohne Bezeichnung derselben, untergebracht hatte, um die richtigen Namen durch eigenes Raisonnement aufzufinden, zwang mir ein Lächeln ab, denn ich hielt es für eitle Spielerei, seine Zeit und Studien an solche Dinge zu wenden; ich hielt es eines Pomologen würdiger, die entdeckten Obstsorten aufzusuchen und für ihre Verbreitung zu wirken, als seine Obstkenntniß an einer Masse von Früchten zu bereichern, deren Werth nur relativ ist. Allein ich mußte bald die Erfahrung machen, daß solche Obstsorten, welche hoch gepriesen wurden, den auf sie gehegten Hoffnungen nicht entsprachen; daß es ferner in den meisten Baumschulen hinsichtlich der Aechtheit des Sortiments schlecht bestellt war, daß es also, wenn man nicht über immer sich erneuernde Illusionen fortwährend sich ärgern will, nöthig sey, den einzig sicheren Weg einzuschlagen, ehe neu bezogene Sorten verbreitet werden, sie nämlich nach Dauerhaftigkeit, Fruchtbarkeit, Zuckergehalt etc. zu prüfen und zugleich der Aechtheit der Sorte sich zu vergewissern. Bei der Masse gepriesener Sorten älteren Ursprungs und der noch größeren Menge aus Saaten in den letzten Jahren gewonnenen Varietäten, fand ich bald, daß selbst ein Raum von vielen Morgen nicht zureichen würde, alle jene Varietäten in besondern Exemplaren zur Prüfung anzubauen; die Pflege so vieler einzelner Individuen würde in keinem Verhältnisse stehen zu den zu erwartenden Resultaten; eine Anpflanzung in Töpfen, wenn sie auch in so großem Maßstabe ausführbar wäre, würde auch nicht zum Ziele führen, denn es läßt sich aus dem

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_328.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)